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Sturm über Freistatt

Titel: Sturm über Freistatt
Autoren: Robert Asprin
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seinen eigentlichen Fang zu besitzen.
     
    Während die Tage zu Wochen wurden, hatte Monkel mehr als einmal Gelegenheit gehabt, die Wahl seines Geschenkes für Uralai in Frage zu stellen. Der Vogel weigerte sich hartnäckig, sich zähmen zu lassen.
    Bei näherer Betrachtung seines Fanges stellte Monkel fest, daß es sich um einen Vogel handelte, dessengleichen er, soviel er sich erinnerte, nie zuvor gesehen hatte, allerdings hatte er sich, zugegebenermaßen, nie sehr mit Landvögeln beschäftigt. Er hatte in etwa die Größe eines Raben, doch sein Hakenschnabel erinnerte eher an einen Greifvogel, und er war schwarz wie das Meer des Nachts. Auffallend waren die leuchtend gelben Augen, die kalt und eindringlich bis in die tiefste Seele zu blicken schienen und gleichzeitig vor einer kaum unterdrückten Wut schwelten, wie man sie üblicherweise nur bei einem Todeskampf mit einem Erzfeind sieht.
    Als Monkel den Vogel schließlich frei in seinen Gemächern fliegen ließ, zerbrach er methodisch alles, was auch nur im geringsten zerbrechlich war, und selbst einige Stücke, die Monkel für unzerstörbar gehalten hatte. Als er die übrigen Wertgegenstände wegräumte, rächte der Vogel sich damit, daß er auf Kleidung und Bettzeug machte und die Möbel mit dem Schnabel anbohrte oder zu zersplittern versuchte.
    Sein Benehmen gegenüber Monkel wechselte. Manchmal floh er in solcher Panik vor ihm, daß er mit dem Kopf gegen eine Wand prallte. Andere Male flog er ihm ins Gesicht, kreischte seine Wut hinaus und versuchte sogar, ihm das Recht zu verweigern, sein eigenes Gemach zu betreten. Meistens aber spielte er scheu und ließ Monkel zwar mit ausgestrecktem Arm auf ihn zukommen, flatterte jedoch im letzten Moment davon, um an einem anderen, hochgelegenen Platz abzuwarten – manchmal kletterte er jedoch auch kurz auf die Hand, doch gewöhnlich nur, um Monkel den scharfen Schnabel ins Fleisch zu stoßen – hin und wieder auch ins Gesicht –, ehe er wieder davonflatterte.
    Dem Vogel machte dieses Treiben viel Spaß. Monkel, dessen Gesicht und Gliedmaßen Narben, halbverheilte und frische Wunden zierten, war von der Sache natürlich nicht so begeistert; er fragte sich immer häufiger, ob der Vogel vielleicht eßbar sei. Zu diesem Zeitpunkt in ihrem Duell wäre, ihn lediglich zu töten, unbefriedigend gewesen.
    Zum endgültigen Durchbruch kam es nach einem Gespräch mit einem seiner Clansleute, denen seine Versuche, den Vogel zu zähmen, immer mehr beunruhigten. Nicht nur, daß Monkel jetzt ständig schlechte Laune hatte, sie lenkten auch unerwünschte Aufmerksamkeit auf die Hafengemeinde. Dabei spielte es keine Rolle, ob seine Freunde vom Kapitänsstammtisch etwas darüber hatten verlauten lassen oder ob Hakiem nicht vielleicht doch nicht so sehr Exgeschichtenerzähler war, wie er behauptete. Eine Rolle spielte lediglich, daß offenbar inzwischen jeder in Freistatt wußte, daß ein beysibischer Fischer einen schwarzen Vogel gefangen hatte und versuchte ihn zu zähmen. Neugierige fast jeden Standes zog es plötzlich in den Hafen. Kneipenhocker und S’danzo, kleine Gauner und angebliche Boten des Verbrecherlords Jubal, alle stellten sie mehr oder weniger subtile Fragen über den Vogel und seinen Dresseur. Einmal erkundigte sich sogar eine dunkelgewandete, geheimnisvolle Frau nach ihnen, von der man behauptete, daß sie sich sonst nie des Tages auf der Straße sehen ließ.
    Alle vom Setmur-Clan behaupteten jedoch gegenüber jedermann, nichts darüber zu wissen. Doch da sie normalerweise ein zurückgezogenes Leben führten, waren sie bestürzt über diese plötzliche Aufmerksamkeit, die man ihnen widmete. Nachdem es ihnen trotz aller Anstrengung nicht gelungen war, Monkel zu überreden, sein Vorhaben aufzugeben, deckten sie ihn nunmehr mit jedwedem Rat ein, von dem sie hofften, er könne es zu einem erfolgreichen, vor allem aber raschen Abschluß bringen.
    So wandte seine Base Paratu sich eines Nachmittags an Monkel, als sie nach einem langen Fangtag mit der Flotte nach Freistatt zurückkehrten.
    »Hast du schon einmal versucht, den Vogel wie eine Person zu behandeln?« fragte sie ohne Übergang. »Vielleicht gefällt ihm deine Einstellung nicht?«
    Gegen seinen Willen mußte Monkel lachen. »Wie kommst du auf diese Idee?«
    Als Antwort deutete Paratu auf die Stadt.
    »Ich erinnerte mich daran, was du zu uns gesagt hast, als wir dieses Höllenloch zum erstenmal sahen – was die Behandlung der Freistätter Bürger anbelangt. Du
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