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Sturm der Seelen: Roman

Sturm der Seelen: Roman

Titel: Sturm der Seelen: Roman
Autoren: Michael McBride
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Kaktusnadeln aus ihren blutigen Fußsohlen zog. Sie war mit einem Flug aus Cancun gekommen und hatte bei dem Versuch, so schnell wie möglich so weit weg wie möglich zu rennen und dabei ja nicht an die anderen Fluggäste zu denken, die direkt vor ihren Augen abgeschlachtet worden waren, ihre Sandalen verloren. Sie rannte, bis sie vor Schmerzen nicht mehr weiterkonnte. Außer Garrett, dem Personal-Trainer, dem einzigen anderen Überlebenden von Flug 721 vom Washington Dulles International Airport, war sie der erste Mensch, den er seit Stunden gesehen hatte. Anderenfalls wären sie wahrscheinlich einfach weitergefahren. Aber sie war jung und blond, und ihre Beine waren frisch von der Sonne gebräunt – eine hübsche Maid in Not, schlotternd vor Kälte in ihrem Sommerkleid. Und falls es sich als nötig erweisen sollte, die Welt von neuem zu bevölkern, könnte die Aufgabe mit ihr zumindest ein gewisses Vergnügen bereiten.
    Garrett war leicht untersetzt und über und über mit Muskeln bepackt. Er erinnerte Richard eher an einen Highschool-Sportlehrer als an einen gestylten Personal-Trainer. Er war ein ehemaliger Defensive Tackle irgendeines kleinen Collegeteams. Richard schätzte, dass er auf das, was zwischen den Wochenenden, vor allem in den Kursen und Seminaren, geboten gewesen war, nicht besonders viel Aufmerksamkeit verwendet hatte; aber bei einer gewalttätigen Konfrontation war er mit Sicherheit ein wertvoller Verbündeter.
    Irgendwann waren sie schließlich zu dieser Tankstelle gekommen, an der ein alter Lieferwagen stand, die Schlüssel noch im Zündschloss. Die aufgeblähte Leiche des ehemaligen Besitzers lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Asphalt neben der offenstehenden Fahrertür. Glücklicherweise hatte der Mann es vor seinem Ableben noch geschafft, seinen Wagen vollzutanken, und solange sie sich vom Strip fernhielten, hatten sie genug Platz, um sich durch das Knäuel des liegengebliebenen Verkehrs zu schlängeln. Als sie die Stadt dann endgültig hinter sich gelassen hatten, kamen sie wesentlich schneller vorwärts und trafen auf weitere Überlebende. Für Richard waren sie namenlose, gesichtslose Ärgernisse – Anhalter, deren Vorhandensein er nun mal tolerieren musste. Unter ihnen war auch eine junge Mutter, etwa Mitte zwanzig, die aber leider kaum attraktiver war als eine verrostete Gießkanne. Wenigstens heulte ihr kleiner Junge nicht annähernd so viel wie dieses Miststück mit den blutigen Füßen, das die ganze Gruppe immer wieder aufhielt. Das letzte Mal, als Richard eine nennenswerte Zeitspanne mit Kindern verbracht hatte, war er selbst noch eines gewesen, aber er schätzte, dass der Junge irgendetwas zwischen sechs und zehn Jahren alt sein musste. Es war noch ein weiterer Mann unter ihnen, er trug eine Lederjacke und hatte eine warme, angenehme Ausstrahlung, aber er war erst vor kurzem zusammen mit seiner Reisebegleitung, einer Frau, zu ihnen gestoßen. Irgendwann war ihnen dann mitten in der Wüste das Benzin ausgegangen. Sie hatten den Lieferwagen einfach ausrollen lassen und waren dann noch mehrere Stunden im Wageninneren sitzen geblieben, weil sie es nicht wagten, die Türen zu öffnen, solange es draußen noch dunkel war. Auch wenn es untertags unerträglich heiß war, die Kälte, die sich während der Nacht ausbreitete, war lebensgefährlich. Die Lederjacke war mit der dunkelhaarigen Frau kurz vor Anbruch der Dämmerung auf einem Motorrad an ihnen vorbeigefahren. Garrett hatte sie zu ihnen herangewunken, und Richard war es schließlich gelungen, sie davon zu überzeugen, dass es das Beste im Sinne der Gemeinschaft wäre, den Rest ihres Benzins in den Tank des Lieferwagens umzufüllen, damit sie es gemeinsam hoffentlich bis zur nächsten Tankstelle schaffen würden. Nun, sie hatten es nicht geschafft, und sie waren erst seit zwei Stunden zu Fuß unterwegs, aber selbst diese kurze Zeitspanne war fast unerträglich mit dem nervtötenden Geschrei dieser Frau über ihre wunden Füße …
    »Ist es hier?«, fragte Garrett, der sich neben Richard gestellt hatte. Mit seiner olivfarbenen Tarnjacke und dem Dreitagebart sah er aus wie die Bettler, die Richard sonst nur durch die Scheiben seiner Limousine sah, während sein Chauffeur auf die nächste Grünphase wartete.
    »Sieht ganz so aus«, antwortete Richard und deutete auf die riesigen Buchstaben auf den Felsen. Er versuchte nicht einmal, den Sarkasmus in seiner Stimme zu verbergen.
    »Sind Sie sicher, dass das der Ort ist, wo wir
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