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Stürmisches Paradies

Stürmisches Paradies

Titel: Stürmisches Paradies
Autoren: Michelle Beattie
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nicht, dass du auf mich mehr hören wirst, als auf deine Tante.«
    »Ich weiß deine Sorge zu schätzen, aber nein. Ich habe mich entschlossen, die Werkstatt meines Vaters weiterzuführen.«
    »Deine Mutter hätte das nicht gewollt«, meinte Charles.
    Der Hieb fand sein Ziel und traf Alicia mitten ins Herz. »Vielleicht nicht. Aber sie hat mich nie daran gehindert, mit ihm hierher zu gehen. Sie wusste, wie sehr ich es geliebt habe, an seiner Seite zu arbeiten. Charles, Jacob hat mir dies alles beigebracht.«
    »Weil er seine Söhne verloren hat«, erinnerte er sie behutsam.
    Alicia schnappte scharf nach Luft. »Falls du sagst, dass er es mir nie erlaubt hätte, wenn Daniel und Eric hier gewesen wären, dann irrst du dich. Diese Werkstatt war sein Leben und er war stolz darauf, mich hier zu haben. Es gab nichts, was ihm lieber gewesen wäre, als wenn all seine Kinder gemeinsam mit ihm gearbeitet hätten. Er nahm sich immer Zeit, um etwas zu erklären und zu unterrichten. Dein Sohn Jack ist der lebende Beweis, da er so viele Stunden an der Seite meines Vaters hier drinnen verbracht hat.«
    Charles senkte den Blick, weil sie ihn mit ihren Worten genau an jenen Mann erinnerte, mit dem er jahrelang gearbeitet hatte.
    »Und es bleibt die Tatsache, Charles, dass Daniel und Eric fort sind . Diese Werkstatt ist nicht nur das Erbe meines Vaters, sie ist alles, was mir von ihm geblieben ist und indirekt auch alles, was mir von meinen Brüdern geblieben ist, an die ich mich nicht erinnere.
    Vom ersten Mal an, als ich meinem Vater dabei zusah, wie er Stahl formte, sah, wie er aus Nichts etwas Schönes erschuf, da wusste ich, dass ich das auch machen wollte. Hat es meiner Mutter gefallen? Nein, aber sie hat es verstanden. Du wirst meine Meinung nicht ändern, Charles. Niemand kann das. Mir das Herz herauszureißen, solange ich noch atme, wäre leichter.«
    Er sah ihr lange und tief in die Augen. Lange genug, dass die halb verbrannten Holzscheite umfielen und im Schmiedeofen Funken sprühten. Lange genug, dass Alicia spürte, wie ihr der Schweiß in einer klebrigen Spur über die Schläfe lief. Dann nickte er und ging wieder an die Arbeit. Sie sagten nichts mehr, obwohl ihre Worte wie der Geruch von heißem Stahl in der Luft hingen.
    Während der letzten sieben Tage waren ihre Tante und ein paar andere, wohlmeinende Bekannte ihres Vaters vorbeigekommen, um ihr denselben Ratschlag zu geben. Nun ja, die anderen hatten es vorgeschlagen, ihre Tante hatte Alicia schlichtweg befohlen, bei ihr zu wohnen. Doch sie alle hatten genauso wie Charles herausgefunden, dass sie nicht die einzigen Sturköpfe waren. Das kleine Haus und die Werkstatt waren alles, was Alicia geblieben war, und sie würde sie nicht zurücklassen, nur damit jemand anderes durchsetzte, darüber zu entscheiden, was schicklich war und was nicht.
    Als sie später an jenem Abend nach Hause ging, war die Stadt fast still. Ein paar Kinder rannten an ihr vorbei, den jugendlichen Geruch von Schweiß und Energie im Gefolge. Die Lampen waren noch nicht angezündet worden, und lange Schatten fielen quer über die Straße. Durch die Fenster sah sie die Lichter schimmern und konnte das Familienleben der Bewohner beobachten. Ihre Schritte verhielten, und Alicia bemerkte, wie sie die Menschen neidisch beobachtete. Was würde sie dafür geben, das wiederzuhaben.
    »Geh weiter«, befahl eine barsche Stimme hinter ihr.
    Alicia wirbelte herum. »Verzeihung bitte?«
    »Ich habe gesagt, du sollst weitergehen. Dies sind gepflegte Häuser, und die Leute hier sind anständig. Geh dahin zurück, wo du hingehörst.«
    Erst als der Mann eine Grimasse schnitt und auf ihre Kleider und das Gesicht deutete, erinnerte sie sich daran, dass sie immer noch dreckig war. Ihre Hände trugen trotz des Scheuerns die Spuren ihrer Arbeit an sich, und ihr Gesicht war zweifellos ebenso schmutzig wie ihre Kleidung.
    Der Mann rührte sich nicht von der Stelle, daher tat es Alicia. Obwohl sie den Kopf hochhielt – denn sie würde sich nicht dafür entschuldigen, wer oder was sie war – ging sie dennoch weiter. Sie ging eine Straße hinunter, dann noch eine, bis ihr kleines Haus in Sicht kam. Es war dunkel und verlassen. Die Wahrheit, der sie mit aller Kraft versucht hatte auszuweichen, traf sie plötzlich mit voller Wucht. Niemand wartete auf sie, noch würde jemals wieder jemand auf sie warten, wenn man jenem Fremden, Charles oder ihrer Tante glauben durfte. Sie war jetzt ein Hufschmied. Und so sehr sie dieses
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