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Stürmisches Paradies

Stürmisches Paradies

Titel: Stürmisches Paradies
Autoren: Michelle Beattie
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Unter ihnen war eine junge Frau mit Namen Samantha. Ich kann nur annehmen, dass es dieselbe Samantha war, von der deine Mutter gesprochen hatte.
    Es tut mir schrecklich leid, Alicia, und ich hoffe, du kannst uns unsere Selbstsucht vergeben. Weißt du, wir hatten bereits Eric und Daniel verloren, und als wir von den anderen Überlebenden erfuhren, warst du bereits so sehr unser Kind, wie du es nur sein konntest.
    Solltest du Samantha suchen wollen, dann bring den anderen Brief zu Blake Merritt. Er ist ein guter Mann, und du kannst ihm vertrauen. Er kommt nicht nach Port Royal, aber in Tortuga sollte es dir möglich sein, ihn zu finden oder etwas von ihm zu erfahren.
    Du hast mich oft gefragt, weshalb auf dem Hügel hinter dem Haus ein weißes Kreuz steht und zu wem es gehört. Es war feige zu lügen, aber dort ruht deine Mutter.
    Ich bete darum, dass du uns unsere Täuschung vergeben kannst.

    In Liebe,
Dein Vater
    Alicia starrte benommen und schockiert auf das Pergament. Schon seit Jahren schossen ihr Bruchstücke von Bildern oder Geräuschen durch den Kopf. Sie hatte sich aus ihnen nie etwas zusammenreimen können, denn sie waren so flüchtig und wirr. Waren es ihre Erinnerungen, die versucht hatten, wieder aufzutauchen? Sie hatte angenommen, es seien bloß Träume.
    Sie sprang auf die Füße, den Brief fest in der Hand. Ihr Kopf drehte sich. Samantha. Der Name hallte in ihr nach, doch sie konnte nicht sagen, ob es tatsächlich daran lag, dass sie sich erinnerte. Er klang einfach vertraut. War es möglich, dass sie eine Cousine hatte? Konnte es gar sein, dass es eine Schwester gab?
    Und das Grab ihrer Mutter lag hinter dem Haus? Ihrer Mutter ? Das bedeutete, dass sie nicht Alicia Davidson war. Ihre Knie zitterten heftig. Wer war sie? Sie versuchte verzweifelt, sich an irgendetwas von dem zu erinnern, wovon ihr Vater gesprochen hatte, doch sie konnte sich weder an eine Schwester, noch an eine Cousine oder eine Mutter entsinnen, die nicht diejenige war, die sie vor fünf Monaten beerdigt hatte.
    Alicia legte sich ihre eiskalte Hand auf die Stirn, ihr Atem kam stoßweise. Wer konnte sich nicht an seine eigene Mutter erinnern? Ich bin nicht diejenige, die ich immer zu sein geglaubt habe. Und diese Gewissheit traf sie tief. Sie ließ sich aufs Bett fallen. Warum hatten sie es ihr nicht früher erzählt, solange sie noch da waren, um sie in den Arm zu nehmen und ihr alles zu erklären? Solange ihre Eltern sie noch auf der Suche hätten begleiten können. Solange sie noch nicht gar so viel Verantwortung trug.
    Sie musste eine Werkstatt führen. Sie konnte sie nicht, nein, sie würde sie nicht im Stich lassen. Sie hatte ihre Worte zu Charles ernst gemeint – die Werkstatt war ihr Leben. Dort hatte sie gespielt, dort hatte sie gearbeitet, dort hatte sie neben ihrem Vater gestanden und ihm geduldig und gleichzeitig ehrfürchtig zugehört, als er ihr das Schwertschmieden beigebracht hatte.
    Alicia nahm nicht an, dass es einfach werden würde, Samantha zu finden. Es musste hunderte von Frauen mit diesem Namen in der Karibik verstreut geben. Wie sollte man eine Suche wie diese bloß anfangen? Es war ja auch nicht so, als ob sie einen Brunnen mit Geld hätte, in den sie eintauchen konnte. Die Werkstatt sorgte für ihren Lebensunterhalt, warf aber nicht viel mehr ab. Außerdem war sie noch niemals – jedenfalls nicht, soweit sie sich daran erinnerte, dachte sie bitter – auf See gewesen. Sie wusste nichts über Schiffe und das Segeln. Eigentlich hatte sie das Segeln nie wirklich gemocht. War es, weil sie es hasste, auf See zu sein, oder weil sie tief in ihrem Innern doch wusste, was die Seefahrt sie dereinst gekostet hatte?
    Ihr Herz begann zu hämmern, und das heftige Verlangen, alles herauszufinden, was sie verloren hatte, wurde immer stärker. Sie fand ja gerade erst ein Bruchstück davon, wie konnte sie da nicht nach dem Rest suchen? Ihre herumwirbelnden Gedanken wandten sich der Werkstatt zu und was sie damit machen würde, direkt gefolgt von ihrer Tante und was sie zu all diesem sagen würde.
    Margaret würde es nicht gutheißen, wenn Alicia ganz allein in der Karibik umherzog, doch ihre Tante war ihr egal. Was die Werkstatt betraf – ihr Herz setzte einen Schlag lang aus -, so konnte sie mit Charles reden. Sie würde dafür sorgen, dass er es verstand. Und es wäre ja auch nur vorübergehend.
    Alicia seufzte. Sie musste es wissen. Sie musste ihre Geschichte herausfinden. Es nicht zu wissen wäre viel schlimmer. Mit
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