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Stuermische Gefahr

Stuermische Gefahr

Titel: Stuermische Gefahr
Autoren: Alia Cruz
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sein Körper erinnerte sich daran, wie er zu funktionieren hatte, aber sein Geist, hatte keine Ahnung wer er war, geschweige denn, wie er in dieses Krankenhaus gekommen war.
     
    *
     
    Scarlett wälzte sich von einer Seite auf die andere. Drei Mal war sie aufgestanden, um die Anzeige der Klimaanlage zu kontrollieren. 21°C Grad , warum war ihr so unerträglich heiß? Sie war todmüde und in wenigen Stunden musste sie wieder zur Nachtschicht aufbrechen. Gar nicht gut. Sie musste unbedingt schlafen. Sie schaute auf den Wecker. Schon früher Nachmittag. Viel zu spät, um noch eine Schlaftablette zu nehmen.
    Sie stand auf und starrte in den Spiegel. Ihre langen blonden Haare sahen zerzaust aus , und ihr übergroßes T-Shirt , mit dem Kopf von Donald Duck drauf, war zerknittert. Sie sah aus wie fünfzehn anstatt achtundzwanzig. Seufzend ging sie in die Küche und trank ein Glas Wasser. Sie nahm den Vorhang ein wenig zur Seite, schnellte aber direkt zurück. Die Sonne war unglaublich grell und man schien förmlich die Hitze draußen sehen zu können. Sie setzte Kaffee auf. Während die Maschine vor sich hin dampfte, holte sie die Times Picayune aus dem Briefkasten. Wenn sie Nachtschicht hatte, kam sie in der Regel nicht dazu, sie zu lesen, aber heute konnte sie es sich mal mit Kaffee und Lesestoff gemütlich machen. Sie goss sich den ersten Becher Kaffee ein und machte es sich im Bett bequem. Die erste Seite war den internationalen Schlagzeilen vorbe halten, aber schon auf Seite zwei begann der Klatsch und Tratsch aus der Jazzszene. Im hinteren Teil ein Bericht über die Wetterlage. Ein Hurrikan sei für die nächste Zeit nicht ausgeschlossen. Natürlich nicht. Sie waren schließlich mitten in der Hurrikan - Saison. Eins mochte sie an New Orleans. Hier saß man diese Dinge aus. Die Menschen waren es gewohnt, von schlimmen Stürmen heimgesucht zu werden. Viele ältere Einwohner waren der Meinung, wer Camille und Betsy überlebt hatte, dem könne nichts mehr passieren. Vielleicht hatten sie recht. Im letzten Jahr war Panik wegen Hurrikan Ivan verbreitet worden , und letztendlich war alles halb so schlimm gewesen.
    Scarlett blätterte durch den politischen Teil der Zeitung. Die Gouverneurswahlen beschäftigten mal wieder die Gemüter. Der Ölmogul Cameron Evans kam immer mehr ins Gespräch. War er doch der Mann, der die meisten Kabinettsmitglieder sein eigen nennen durfte. Aber das stand natürlich nicht in der Zeitung. Die meisten Senatsmitglieder standen inoffiziell auf seiner Gehaltsliste. Gerüchte besagten, dass er vorhatte, noch weiter aufzusteigen. Das Weiße Haus war wohl das Ziel. Scarlett seufzte. Wie krank war diese Welt eigentlich? Ein Wirbelsturm wäre vielleicht gar nicht so übel, aber der müsste die richtigen Leute erwischen.
    Das Klingeln des Telefons riss sie aus ihren Gedanken. Das Display zeigte die Nummer der Klinik an. Ihr wurde mulmig zumute. Sie nahm ab. „Hallo?“
    „Hi, Mia hier.“
    Scarlett schaute reflexartig auf die Uhr. Hatte sie etwa verschlafen, zu viel Zeit vertrödelt, war ihre Uhr stehenge blieben?
    „Ich dachte , ich gebe dir Bescheid. Ich hab dich öfter aus John Does Zimmer kommen sehen, wenn mein Dienst angefangen hat und du eigentlich schon hättest zu Hause sein können.“
    Scarletts Herz begann wie wild zu pochen. War ihm etwas passiert, war er vielleicht tot? Sie hörte Mia kauen.
    „Was ist passiert?“
    „John Doe ist aufgewacht. Vielleicht willst du ja zu ihm, bevor deine Schicht beginnt.“ Sie schmatzte. „Ich weiß zwar nicht, was du davon hast, aber ich dachte, ich sag es dir. Bis später.“
    Bevor Scarlett sich bedanken oder überhaupt einen Ton von sich geben konnte, hatte Mia schon aufgelegt. Für ein paar Sekunden saß sie wie gelähmt da. Ihr erster Impuls war , unter die Dusche zu springen, sich fertigzumachen und zu ihm zu fahren. Stattdessen zwang sie sich ruhig zu bleiben. Sie nahm ein Stück Melone, eine Banane und eine Orange heraus und machte sich einen Obstsalat, von dem sie nur zwei Löffel aß. Sie hatte gar keinen Hunger. Sie war innerlich viel zu nervös. Freude mischte sich mit Angst. Freude darüber, dass er aufgewacht war. Angst davor, wie es ihm gehen würde. Hatte er bleibende Schäden? Was würde passieren, wenn sie sich begegneten? Würde er sich an ihre Stimme erinnern? Würde er sich vielleicht sogar an das erinnern, was sie ihm erzählt hatte? Sie musste unbedingt Ruhe bewahren. Er war nur ein Patient von vielen. So musste sie das Ganze
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