Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stürmische Begegnung

Stürmische Begegnung

Titel: Stürmische Begegnung
Autoren: Rosamunde Pilcher
Vom Netzwerk:
es keine Rolle. „Ich glaube, er lebt in Los Angeles. Er war Schauspieler. Meine Mutter ist mit ihm durchgebrannt, als sie achtzehn war. Aber das häusliche Leben langweilte ihn bald, oder er fand, daß seine Karriere wichtiger sei als eine Familie. Die Ehe dauerte jedenfalls nur ein paar Monate, und dann ging er auf und davon und ließ meine Mutter mit mir sitzen.“
    „Wie furchtbar, so etwas zu tun.“
    „Ja, ich nehme an, es ist ziemlich lieblos. Ich habe nie groß darüber nachgedacht. Meine Mutter hat nie von ihm gesprochen. Nicht weil sie sehr verbittert oder verletzt war, nein. Sie hat ein fach die Gabe, etwas ohne weiteres zu vergessen, wenn es aus und vorbei ist. Sie ist schon immer so gewesen. Sie sieht nur nach vorn, und immer sehr optimistisch.“
    „Aber was ist passiert, als Sie geboren wurden? Ist sie zu ihren Eltern zurückgegangen?“
    „Nein. Nie.“
    „Sie meinen, es kam kein Telegramm mit den Worten     „Ich weiß es nicht. Wirklich nicht.“
    „Es muß schreckliche Szenen gegeben haben, als Ihre Mutter davonlief, aber trotzdem…“ Sie verstummte. Sie war offenbar nicht imstande, eine Situation zu begreifen, die ich mein Leben lang gleichmütig akzeptiert hatte. „Wer könnte seiner Tochter so etwas antun?“
    „Ich weiß nicht.“
    „Das kann nicht Ihr Ernst sein!“
    „ Doch. Ich weiß es wirklich nicht.“
    „Soll das heißen, Sie kennen Ihre Großeltern gar nicht?“
    „Ich weiß nicht mal, wer sie sind. Oder vielleicht, wer sie wa ren. Ich weiß auch nicht, ob sie noch leben.“
    „Sie wissen nichts von ihnen? Hat Ihre Mutter Ihnen denn nie etwas gesagt?“
    „O doch… Ab und zu kam sie auf früher zu sprechen, aber es waren immer nur Bruchstücke. Sie wissen ja, wie Mütter mit ih ren Kindern reden, wenn sie sich an Dinge erinnern, die sie erlebt haben, als sie selbst noch klein waren.“
    „Bayliss… “ Sie runzelte die Stirn. „Das ist kein häufiger Name. Und er kommt mir irgendwie bekannt vor, aber ich habe keine Ahnung, warum. Haben Sie denn gar keinen Anhaltspunkt?“
    Ich mußte über ihre Hartnäckigkeit lachen. „Sie reden, als ob ich es unbedingt wissen möchte. Aber ich will es gar nicht wissen, verstehen Sie? Wenn man seine Großeltern nie gekannt hat, ver mißt man sie auch nicht.“
    „Aber möchten Sie nicht manchmal wissen“ – sie suchte nach Worten – „wo sie lebten?“
    „Das weiß ich. Sie lebten in Cornwall. In einem Haus aus Feld steinen, mit Wiesen und Feldern, die zum Meer hin abfielen. Und meine Mutter hatte einen Bruder, der Roger hieß und im Krieg gefallen ist.“
    „Aber was hat sie gemacht, als Sie auf die Welt kamen? Ich nehme an, sie mußte sich eine Arbeit suchen?“
    „Nein, sie hatte etwas eigenes Geld. Sie hatte es von einer Tante geerbt. Wir hatten natürlich nie ein Auto und dergleichen, aber soweit ich weiß, sind wir ganz gut zurechtgekommen. Sie hatte eine Wohnung in Kensington, im Souterrain eines Hauses, das Freunden von ihr gehörte. Dort haben wir gewohnt, bis ich unge fähr acht war, dann kam ich aufs Internat, und danach… danach sind wir von einem Ort zum anderen gezogen.“
    „Internate kosten Geld.“
    „Meines war nicht sehr vornehm.“
    „Hat Ihre Mutter wieder geheiratet?“
    Ich sah Maggie an. Sie machte ein schrecklich neugieriges Ge sicht, aber ihre Miene war freundlich. Ich fand, jetzt, wo ich schon so weit gegangen war, konnte ich ihr auch den Rest erzählen.
    „Sie… sie war irgendwie nicht der Typ, der heiratet… Aber sie war immer sehr attraktiv, und ich kann mich nicht erinnern, sie jemals ohne einen Verehrer erlebt zu haben… Und als ich dann auf dem Internat war, hatte sie sicher keinen Grund mehr, noch groß auf ihren guten Ruf zu achten. Ich wußte nie, wo ich die nächsten Ferien verbringen würde. Einmal fuhren wir nach Frankreich, in die Provence. Manchmal blieben wir hier in Eng land. Zu Weihnachten flogen wir einmal nach New York.“
    Maggie schnitt eine Grimasse. „Nicht sehr lustig für Sie.“
    „Aber gut für die Bildung.“ Ich hatte schon vor langer Zeit gelernt, es von der scherzhaften Seite zu sehen. „Stellen Sie sich all die Orte vor, die ich gesehen habe, und die vielen ungewöhnlichen Plätze, wo ich gewohnt habe. Einmal im Ritz in Paris, und dann in einem scheußlich kalten Haus in Denbigshire. Das war ein Dichter, der glaubte, er müsse es mit Schafezüchten versu chen. Ich war in meinem Leben noch nie so froh wie an dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher