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Studio 6

Studio 6

Titel: Studio 6
Autoren: Liza Marklund
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bleiben, und biss die Zähne zusammen.
    Das Keuchen hinter ihr war nicht mehr zu hören, sie warf einen Blick über die Schulter, Bäume und Grün, Himmel und Steine.
    Er könnte einen Waldweg nehmen, mich abfangen, dachte sie plötzlich und blieb abrupt stehen.
    Der Puls hämmerte, sie horchte in den Wald hinein.
    Nichts, nur der Wind.
    Wo waren die Waldwege?
    Hinter ihr raschelte etwas, sie sah sich um und geriet in Panik.
    Oh, Gott, wo ist der Weg, es gibt hier einen Weg, aber wo?
    Sie atmete, zwang sich nachzudenken. Wie sah der Weg aus?
    Es ist ein Waldarbeiterweg, die haben darauf Holz aus dem Wald geholt, er ist wieder zugewachsen, der Wald ist jetzt mannshoch. Lauf zum Unterholz, dachte sie.
    Im selben Moment sprang die Katze hervor und rieb sich an ihrem Bein, sie stolperte über das Tier.
    »Whiskas, du Dummkopf. Lauf nach Hause.«
    Sie trat nach ihm, versuchte ihn von sich zu stoßen.
    »Lauf nach Lyckebo. Lauf zu Großmutter.«
    Das Tier jaulte und verschwand hinter einem Busch.
    Sie lief nach Osten, plötzlich wurde der Wald licht und niedrig. Sie hatte Recht gehabt, da lag der Weg. Sie verharrte einen Augenblick im Buschwerk am Waldsaum, ehe sie aus dem Wald trat, den Atem angehalten, und einfach drauflosging. An Gorgnäs vorbei, keiner zu Hause, Mastorp, auch niemand da, dann direkt nach Osten, geradewegs auf den Sörmlandsleden zu.
    Er stand in der letzten Biegung vor dem Sörmlandsleden.
    Sie sah ihn drei Sekunden früher als er sie, warf sich nach Norden, in Richtung Fabriksteich. In seiner Hand hatte etwas aufgeblitzt, sie wusste, was es war. Der Verstand verließ ihren Körper. Sie rannte, schrie, fiel, torkelte, kam ans Wasser, rannte hinein, rang nach Luft vor Kälte, schwamm, schwamm, kam am Badestrand wieder heraus, spuckte, stolperte zu den Baracken hinauf, Gatter, Gatter, lief nach links, kletterte in eine große Espe, hinein zwischen die Häuser, in die Fabrik.
    »Du entkommst mir nicht, du verdammte Hure!«
    Sie sah sich um, konnte ihn nicht sehen, rannte an einem weißen Haus vorbei, riss eine verblichene hellblaue Eisentür auf, lief in die Dunkelheit hinein. Blind, tappte in einen Schlackehaufen, spuckte Asche, ging weiter hinein, noch weiter, weinte. Die Dunkelheit wich, die Schatten nahmen Formen an, ein Hochofen, verlassene Schmelztiegel. Reihen von braun verschlammten kleinen Fenstern unter dem Dach, Ruß und Rost. Die Tür, die sie geöffnet hatte, zeichnete sich wie ein Viereck aus Licht ganz hinten ab, die Silhouette des Mannes näherte sich langsam. Sie sah das Messer in seiner Hand blitzen. Sie erkannte es, sein Jagdmesser.
    Sie machte kehrt und lief, die Bodenplatten dröhnten unter ihren Füßen, am großen Ofen vorbei. Die Treppe hinauf, Dunkelheit, noch eine Treppe, sie fiel und schlug sich das Knie auf, das Licht kehrte zurück, eine Plattform, Fenster, Winschen, sie stieß sich den Kopf an einem Einlassboden für Kalkstein.
    »Jetzt kommst du nicht mehr weiter.«
    Er keuchte laut, die Augen glänzten vor Hass und Alkohol.
    »Sven«, weinte sie und wich zum Schrottschacht zurück.
    »Sven, tu es nicht, du willst das gar nicht …«
    »Du verdammte Hure«, sagte er.
    Im selben Moment hörte man ein leises Jaulen von der Treppe her. Annika blinzelte gegen die Schatten, blickte suchend zwischen Schlacke und Schmutz. Die Katze, oh, Gott, die Katze, sie war ihr den ganzen Weg gefolgt.
    »Whiskas!«, rief sie.
    Sven trat einen Schritt näher, und sie wich zurück. Die Katze näherte sich ihnen, jaulte und schnurrte, drehte kleine Kreise und schlug Haken, rieb ihre Nase an den rostigen Maschinenteilen, spielte mit einem Stück Koks.
    »Scheißkatze«, sagte Sven heiser, sie erkannte diese Stimme, er fing an zu weinen.
    »Du kannst mich nicht einfach so verlassen. Was soll ich denn ohne dich tun?«
    Er wurde von einem Schluchzen geschüttelt. Annika konnte nicht antworten. Ihre Kehle war zugeschnürt, sie konnte keinen Laut hervorbringen. Sie sah die Konturen des Messers funkeln, ein Sonnenstrahl, zielloses Wedeln in zunehmendem Weinen.
    »Annika, verdammt nochmal, ich liebe dich doch!«, schrie er.
    Sie ahnte mehr, als dass sie es sah, wie die Katze zu ihm kam, die Hinterbeine streckte, um ihre Nase an seinem Knie zu reiben, folgte dem blanken Glitzern des Messers, als es die Luft durchschnitt und den Bauch der Katze traf.
    »NEIN!«
    Der Schrei kam wie aus dem Abgrund, bewusstlos. Der Körper der Katze flog durch die Luft, in hohem Bogen über den Kokseinlass, hinterließ einen
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