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Streit Ist Auch Keine Loesung

Streit Ist Auch Keine Loesung

Titel: Streit Ist Auch Keine Loesung
Autoren: Christian Thiel
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Geschirr im Wohnzimmer stehen lässt. Markus macht das nicht jeden Tag. Doch zwei- bis dreimal in der Woche trägt Ines Markus’ Sachen in die Küche. Das geht schon seit Monaten so und lange hat Ines nichts dazu gesagt. Vor ein paar Wochen aber bat sie ihn, alles, was er aus der Küche herausträgt, auch wieder zurückzubringen. Es stört sie eben. Markus nickte, sagte ein wenig geistesabwesend „Ja, ja“ zu ihr und damit war die Angelegenheit für ihn auch schon erledigt. Dann trug er eine Weile tatsächlich alles in die Küche zurück. Doch nun ist es wieder passiert. Aber sie ist doch nicht sein Hausmädchen! Das ist ihre Sicht.
    Markus seinerseits ist genervt, wenn Ines frustriert von der Arbeit kommt und ihn dann wegen irgendetwas kritisiert, das er als eine Kleinigkeit, als eine Bagatelle ansieht. Er empfindet ihre Kritik dann als ungerecht und überzogen. Er findet es unfair, wenn sie den Stress ihrer Arbeit an ihm auslässt. Das ist seine Sicht.
    Auf einen groben Klotz gehört nicht immer ein grober Keil.
    So weit zur unterschiedlichen Sichtweise von Ines und Markus. Diese Vorgeschichte macht deutlich, wie unterschiedlich die Wahrnehmungender beiden sind. Warum aber dann diese schnelle Aufschaukelungder Auseinandersetzung? Ist doch klar, könnten Sie versucht sein zu sagen, Ines hat ihn angegriffen – da musste er doch wohl reagieren, oder? Sicher musste er das – doch musste er wirklich so reagieren, wie er es gemacht hat? „Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil“, sagt der Volksmund. Kein Zweifel: Markus hat diesen Spruch beherzigt. Doch musste er sich auf den Streit mit Ines einlassen – oder hatte er andere Möglichkeiten zu antworten? Er hatte, doch er hat sie nicht genutzt.
    Auch Ines ihrerseits hätte die spitze Bemerkung über den Teller im Wohnzimmer nicht machen müssen. Auch sie hatte nettere Alternativen. Beide hatten freundlichere Möglichkeiten, beide haben sie nicht genutzt. Und das hat mit den Gedanken zu tun, die sie während ihres Streits beschäftigten.
    Gedanken bewerten eine Situation
    Ein Teller ist kein Tiger. Ein Teller wird nur dann zu einer Bedrohung, wenn er mit den entsprechenden Gedankeneinhergeht. Es sind – oftmals – nicht die Dinge selbst, die uns wütend oder ängstlich machen, sondern die Gedanken, die sie in uns auslösen. Das ist keine neue wissenschaftliche Erkenntnis, sondern eine sehr alte Idee, die nicht aus der Psychologie stammt, sondern aus der antiken griechischen Philosophie. Mit unseren Gedanken bewerten wir eine Situation. Diese Bewertungen können sehr unterschiedlich ausfallen. Wir können dem anderen die Absicht unterstellen, uns ärgern zu wollen. So eine – negative – Annahme führt beinahe automatisch in die Zuspitzung. Oder wir können davon ausgehen, dass Markus ein wenig vergesslich war, abgelenkt vielleicht von Gedanken an die Arbeit. Eine solche – wohlwollende – Bewertung des Partnerverhaltens hat ganz andere Konsequenzen. Es sind diese inneren Bewertungen, die die Verstärkung des Streits von Ines und Markus bewirken.
    Was denkt Ines, während sie den Teller auf dem Wohnzimmertisch stehen sieht? Sie denkt „Setz dich zur Wehr!“ und „Lass es Markus spüren, wenn er dich verletzt hat!“ Das sind typische Reaktionen auf Ärger – und Frauen ärgern sich häufig. Häufiger als Männer. Ines’ Gedanken sind keinesfalls das Ergebnis eines wie auch immer gearteten Nachdenkens über die Situation, über den Teller, über Markus und darüber, wie sie Markus dazu bekommt, sein Geschirr nicht stehen zu lassen, wie es ihm gerade passt. Sie hat nicht nachgedacht. Das ist in der Schnelle, in der sie reagiert, auch gar nicht möglich. Und biologisch – wir haben es schon gesehen – ist das ebenfalls nicht drin. Ines’ Gedanken sind, wie die Psychologie sie nennt, automatische Gedanken.
    || | Automatische Gedanken
Automatische Gedanken sind das Ergebnis früher Erfahrungen des Menschen. Sie werden in der Regel bereits in der Kindheit gelernt und laufen im späteren Leben gleichsam wie auf eingespielten Bahnen ab. Ich werde angegriffen. – Wehr dich! Lass dir nichts gefallen! Oder auch ganz anders: Ich werde angegriffen. – Zieh dich zurück! Automatische Gedanken kommen also aus unserer Vergangenheit. Und sie entfalten ihre Wirkkraft auch noch in einer sehr fernen Zukunft. Auch dreißig oder fünfzig Jahre, nachdem sie erlernt wurden.
    Automatische Gedanken steuern unsere Reaktionen.
    Das alles ist Ines natürlich nicht
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