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Stout, Maria

Stout, Maria

Titel: Stout, Maria
Autoren: Der Soziopath von nebenan
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in meiner Praxis eingefunden, die an jedem Tag ihres
Lebens seelische Qualen zu ertragen hatten, wegen Missbrauchs im Kindesalter
oder anderer entsetzlicher Erlebnisse. In meinem Buch The Myth
ofSanity (Der Mythos Vernunft) 6 habe ich anhand von
Fallbeispielen die zahllosen Leiden meiner Traumapatienten beschrieben, zum
Beispiel chronische Angstzustände, lähmende Depressionen und dissoziative
Zustände. Viele von ihnen haben sich in dem Gefühl, ihr Leben sei unerträglich,
nach überwundenen Suizidversuchen an mich gewandt. Einige sind von Naturkatastrophen
wie Erdbeben traumatisiert worden, andere von menschengemachten Katastrophen
wie Kriegen, aber die meisten von ihnen sind durch einzelne menschliche Täter
unterdrückt und psychisch vernichtet worden, und zwar oft durch Soziopathen - manchmal
durch ihnen fremde Soziopathen, aber häufiger durch soziopathische Eltern,
ältere Verwandte oder Geschwister. Bei dem Versuch, meinen Patienten und ihren
Familien bei der Bewältigung der ihnen zugefügten Verletzungen zu helfen, habe
ich erkannt, dass die von den Soziopathen in unserer Mitte verursachten
Schäden schwerwiegend und dauerhaft, oft in tragischer Weise tödlich und
erschreckend alltäglich sind. Bei der Arbeit mit Hunderten von Überlebenden
habe ich die Überzeugung gewonnen, dass es eine dringende Notwendigkeit für
uns alle ist, offen und direkt mit den Umständen der Soziopathie umzugehen.
    Etwa eine
von fünfundzwanzig Personen ist soziopathisch, was im Wesentlichen heißt, dass
sie kein Gewissen hat. Es ist nicht etwa so, dass diese Personengruppe den
Unterschied zwischen gut und böse nicht erkennen könnte; vielmehr hat der
Unterschied keinen Einfluss auf ihr Verhalten. Die rationale Unterscheidung
zwischen gut und böse löst nicht den emotionalen Alarm aus - oder die
Gottesfurcht -, die wir anderen erleben. Ohne das geringste Gefühl von Schuld
und ohne Reue kann eine von 25 Personen
jegliche Schandtat begehen.
    Die große
Verbreitung von Soziopathie in der menschlichen Gesellschaft hat gravierende
Auswirkungen auf uns andere, die wir auch auf diesem Planeten leben müssen, und
zwar auch auf jene, die nicht traumatisiert worden sind. Die Individuen, aus
denen diese vier Prozent bestehen, plündern unsere Beziehungen, Bankkonten und
unser Selbstwertgefühl aus und stören unseren Frieden auf Erden. Und doch
wissen die meisten Menschen erstaunlicherweise nichts über diese
Persönlichkeitsstörung, und wenn doch, denken sie nur an gewalttätige
Psychopathen, an Mörder, Serienkiller oder Massenmörder, an Individuen, die
immer wieder auf spektakuläre Weise das Gesetz gebrochen haben und die, falls
sie gefasst werden, durch unsere Strafjustiz eingesperrt oder gar zu Tode
gebracht werden. Für gewöhnlich sind wir uns der viel größeren Anzahl nicht-gewalttätiger
Soziopathen unter uns nicht bewusst, und normalerweise erkennen wir sie nicht -
Menschen, die nicht in eklatanter Weise die Gesetze brechen und vor denen unser
Rechtssystem kaum einen Schutz bietet.
    Die
meisten Menschen würden keinen Zusammenhang erkennen zwischen der Planung
eines Völkermordes und zum Beispiel dem schamlosen Anschwärzen eines Kollegen
bei dessen Chef. Aber der psychische Zusammenhang existiert nicht nur, er ist
beklemmend. Die Verbindung besteht schlicht und ergreifend darin, dass der
innere Mechanismus fehlt, der uns - emotional gesprochen - in die Zange nimmt,
wann immer wir eine Entscheidung treffen, die wir als unmoralisch,
unanständig, verantwortungslos oder egoistisch ansehen. Die meisten von uns
werden einen Anflug von Schuld verspüren, wenn wir das letzte Stück Kuchen in
der Küche nehmen - ganz zu schweigen von dem, was wir fühlen würden, wenn wir
vorsätzlich und systematisch den Plan fassen würden, einen anderen Menschen zu
verletzen. Diejenigen, die keine Spur eines Gewissens haben, sind eine Gruppe
für sich, seien sie nun mörderische Tyrannen oder lediglich rücksichtslose
Sozialschmarotzer.
    Das
Vorhandensein oder Fehlen des Gewissens ist eine tiefe Kluft, die die
Menschheit spaltet, wohl signifikanter als Intelligenz, Rasse oder sogar das
Geschlecht. Was einen Soziopathen, der von der Arbeit anderer lebt, von einem
unterscheidet, der bei Gelegenheit einen Supermarkt ausraubt oder ein
Gangsterboss ist - oder was den Unterschied zwischen einem gewöhnlichen Rowdy
und einem soziopathischen Mörder ausmacht - ist nicht mehr als
gesellschaftliches Ansehen, Zielstrebigkeit, Intelligenz, Mordlust
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