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Stout, Maria

Stout, Maria

Titel: Stout, Maria
Autoren: Der Soziopath von nebenan
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große Zahl argloser Menschen ins Jenseits zu befördern. Mit genug Geld
können Sie das aus der Ferne arrangieren, sich in Sicherheit wiegen und
zufrieden Ihr Werk betrachten. In der Tat ist (ferngesteuerter) Terrorismus die
ideale Beschäftigung für blutrünstige und gewissenlose Menschen - stellt man
es richtig an, kann man eine ganze Nation in Aufruhr versetzen. Wenn das nicht
Macht ist, was dann?
    Oder
lassen Sie uns das entgegengesetzte Extrem annehmen: Sie sind nicht an Macht
interessiert. Im Gegenteil, Sie sind ein Mensch, der kaum echte Interessen hat.
Ihr einziges wirkliches Anliegen ist es, sich nicht allzu sehr anstrengen zu
müssen, um durchs Leben zu kommen. Sie wollen nicht arbeiten wie alle anderen.
Ohne ein Gewissen können Sie dösen oder Ihren Hobbies nachgehen oder den ganzen
Tag fernsehen oder einfach nur den lieben langen Tag irgendwo herumhängen. Wenn
Sie etwas am Rande der Gesellschaft leben und von Verwandten und Freunden
gesponsert werden, können Sie das beliebig lange so treiben. Vielleicht würde
man sich zuflüstern, dass Sie nichts leisten, depressiv sind, ein trauriger
Fall, oder andererseits, falls man sich über Sie ärgert, könnte man grummeln,
dass Sie faul sind. Lernt man Sie besser kennen und ärgert sich wirklich über
Sie, würde man Sie vielleicht anschreien und einen Verlierer oder Penner
nennen. Aber man würde niemals auf die Idee kommen, dass Sie buchstäblich kein
Gewissen haben und dass daher Ihre ganze Psyche fundamental von der Norm
abweicht.
    Nie
bedrückt Sie das panische Gefühl eines schlechten Gewissens oder lässt Sie
mitten in der Nacht hochschrecken. Trotz Ihres Müßiggangs sind Ihnen Gefühle
von Verantwortungslosigkeit, Nachlässigkeit oder Peinlichkeit völlig fremd,
wenn Sie auch gelegentlich um des schönen Scheins willen solche Gefühle vortäuschen.
Wenn Sie zum Beispiel ein guter Beobachter von Menschen und ihren Reaktionen
sind, könnten Sie ein bekümmertes Gesicht aufsetzen und behaupten, Sie würden
sich für Ihren Lebenswandel schämen und davon sprechen, wie schlecht Sie sich
fühlen. Das tun Sie aber nur, weil es für Sie bequemer ist, wenn Ihre Mitmenschen
Sie für depressiv halten, als wenn sie Sie ständig anschreien oder dazu drängen
würden, sich eine Arbeit zu suchen.
    Sie
stellen fest, dass Menschen, die ein Gewissen haben, sich schuldig fühlen, wenn
sie jemandem Vorhaltungen machen, den sie für "depressiv" oder "gestört"
halten. Tatsächlich fühlt man sich oft - zu Ihrem zusätzlichen Vorteil -
verpflichtet, einer solchen Person zu helfen. Falls es Ihnen, obwohl Sie
vergleichsweise mittellos sind, gelingen sollte, eine sexuelle Beziehung zu
jemandem herzustellen, könnte sich diese Person - ohne zu ahnen, wie Sie
wirklich sind - besonders verpflichtet fühlen. Und da Sie lediglich vermeiden
wollen zu arbeiten, muss Ihr Sponsor nicht einmal sonderlich begütert sein - es
genügt, wenn er oder sie einigermaßen anständig ist.
    Ich
vertraue darauf, dass die Vorstellung, ein solcher Mensch zu sein, Ihnen
verrückt vorkommt, denn solche Menschen sind verrückt - und zwar gefährlich
verrückt. Verrückt, aber real - es gibt sogar eine Bezeichnung für sie. Viele
Psychologen bezeichnen das partielle oder völlige Fehlen eines Gewissens als "antisoziale
Persönlichkeitsstörung". Dabei handelt es sich um eine unheilbare
Deformation des Charakters, von der nach heutigem Wissensstand wahrscheinlich
vier Prozent der Bevölkerung betroffen sind - also einer von 25 Menschen. 1 Für das Fehlen eines Gewissens gibt es auch andere Bezeichnungen; am
häufigsten wird "Soziopathie" verwendet oder der etwas geläufigere
Begriff Psychopathie. 2 Das Fehlen
von Schuldgefühlen war die erste der Psychiatrie bekannte
Persönlichkeitsstörung; im Laufe des vergangenen Jahrhunderts wurde sie auch
als manie sans delire, psychopathische Minderwertigkeit ("psychopafhic
inferiority") und moralischer Schwachsinn ("moral
insanity" oder "moral imbecility") bezeichnet.
    Nach der
aktuellen "Diagnosebibel" der Psychiatrie, dem Diagnostic
and Statistical Manual of Mental Disorders der "American
Psychiatric Association" (APA), sollte die klinische Diagnose einer "antisozialen
Persönlichkeitsstörung" in Betracht gezogen werden, wenn eine Person
mindestens drei der folgenden sieben Eigenschaften aufweist: (1) abweichendes
Sozialverhalten; (2) hinterlistiges, manipulatives Verhalten; (3) Impulsivität,
mangelnde Planungsfähigkeit; (4) Reizbarkeit, Aggressivität;
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