Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stout, Maria

Stout, Maria

Titel: Stout, Maria
Autoren: Der Soziopath von nebenan
Vom Netzwerk:
schreibt Goleman: "Der reine Akt der Anteilnahme am Wohlergehen
anderer scheint von sich aus das eigene Wohlergehen zu steigern." In jüngerer
Vergangenheit hat sich eine wachsende Zahl von Wissenschaftlern diesem Eindruck
angeschlossen. Auf einem Kongress über Wissenschaft und Geist im Jahr 2002, der
auch vom Dalai Lama besucht wurde, merkte der renommierte australische
Neurobiologe Jack Pettigrew an: "Wenn man nach Dharamsala [Heimstatt der
tibetischen Gemeinde im indischen Exil] reist, steigt man im mittwinterlichen
Nebel auf und kommt im hellen Sonnenschein heraus - es ist, als stiege man zum
Himmel auf. Was einem sofort auffällt, sind die glücklichen, lächelnden Gesichter
der Tibeter, die nicht viel haben, schreckliche Entbehrungen ertragen mussten
und doch glücklich sind. Nun denn: Warum also sind sie glücklich?"
    Der Dalai
Lama selbst ist daran interessiert, diese Frage wissenschaftlich zu
beantworten und eine weltliche Methode zu finden, um das mitfühlende
Bewusstsein für Intersein zu schaffen, das von überzeugten Anhängern der
tibetisch-buddhistischen Meditation erlangt wird. Zu diesem Zweck hat er eine
internationale Serie von Dialogen zwischen Wissenschaftlern und
Buddhismus-Gelehrten initiiert, deren bislang letzter 2003 stattgefunden hat
und unter anderem vom "Mind and Life Institute" in Colorado und dem "McGovern
Institute of the Massachusetts Institute of
     
    *
Anmerkung des Übersetzers: Dieses Buch ist 2003 in deutscher Übersetzung unter
dem Titel Dialog mit dem Dalai Lama: Wie wir destruktive Emotionen
überwinden können im Hanser-Verlag (München) erschienen.
     
    Technology"
gefördert wurde. Er erhofft sich von diesen Dialogen praktische Lösungsansätze
für die destruktiven Stimmungen, die sowohl die Buddhisten als auch die
Wissenschaftler für die Ursachen menschlicher Konflikte und Leiden halten.
    Als
Psychologin bin ich besonders angetan von der Beschreibung des Dalai Lama
jener Menschen, die ich als Soziopathen bezeichnen würde oder als frei von
einem auf der Verbundenheit mit anderen basierenden, intervenierenden Gefühl
der Verpflichtung. Er bezeichnet solche Individuen als "Menschen, die
kein gut entwickeltes menschliches Leben haben." Namentlich hat der Dalai
Lama über die Anschläge auf das World Trade Center gesagt: "Technologie
ist eine gute Sache, aber ihr Einsatz durch Personen, die keine gut
entwickelten menschlichen Leben haben, kann katastrophal sein." 77
    In dem
Maße, wie die Fähigkeit einer Person, ein gut entwickeltes menschliches Leben
zu haben, durch ihre eigenen grauen Zellen erleichtert oder beschränkt wird,
unterstreicht diese buddhistische Sicht der Soziopathie eine der
interessantesten Konvergenzen überhaupt, und zwar die von Religion und
Neurobiologie. Vielleicht ist Soziopathie eine Lektion des Lebens, die nicht
durch eine bestimmte körperliche Fähigkeit oder Behinderung gelehrt wird,
sondern durch emotionale Debilität. Mit anderen Worten: Manche Menschen müssen
lernen wie es ist, keine Beine zu haben oder sehr schön oder ein Bettler zu
sein, während andere, die kein Gewissen haben, lernen müssen, was es bedeutet,
sich nicht um andere Menschen sorgen zu können. Darin liegt eine Ironie, denn
dieser Zustand des Karmas könnte, wenn man so will, einen Grund darstellen,
Soziopathen bemitleidenswert zu finden - so wie wir ein blindes Waisenkind
bemitleiden würden, ob wir nun an die Wege des Karmas glauben oder nicht.
    Wenn auch
die Bedeutung von Anteilnahme und dem Gefühl des Einsseins von der Psychologie
erkannt worden ist, hat allerdings die psychologische Forschung bislang noch
keine direkten Verfahren entwickelt, dieses Bewusstsein zu erlangen - und so
lässt sie Soziopathen und insbesondere unsere gesünderen Jünger ziemlich im
Stich, wenn es um die Stärkung des Gewissens geht. Als Wege, die
Lebenszufriedenheit zu steigern, empfehlen Psychologen zunehmend eine
Moralerziehung für normale Kinder und Wohltätigkeit und ehrenamtliche
Betätigungen für Erwachsene; aber Psychologen haben sich traditionell mehr für
Bestrebungen interessiert, die "interpersonelle Abgrenzung zu stärken"
und die "Selbstsicherheit zu trainieren". In dieser Hinsicht erinnert
mich die Psychologie im Vergleich zur Spiritualität an den hungrigen Reisenden
in der uralten indischen Parabel "Der Stein der weisen Frau". Eine
Version dieser Parabel, deren Urheber seit Menschengedenken vergessen ist,
findet sich in einer Sammlung von Erzählungen, 79 die von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher