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Stollengefuester

Stollengefuester

Titel: Stollengefuester
Autoren: Marijke Schnyder
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unter dem Erdmantel brannte, das irgendeinmal seinen Weg an die Oberfläche finden würde?
    Wieder ein Schilderposten: Unterkunftsräume, Telefonzentrale. Darunter ein Übersichtplan der Festung hinter Glas.
    »Da staunt ihr! Hier ist noch viel Platz!«, lachte Heller grob. »Dieser Berg ist riesig!«
    Nore Brand und Hene Hari gingen schweigend weiter.
    »Und er hat gute Mieter!«, schrie Heller hinter ihnen. »Sie zahlen gut. Dieser Berg ist der sicherste Ort für Kostbarkeiten.«
    »Auch für diesen unbezahlbaren Alexandrit?«, wollte Nore Brand wissen.
    Heller lachte.
    »Sein Besitzer«, fuhr sie weiter, sie musste reden mit ihm, egal worüber, »ist ein Gauner, wie alle andern auch, die ihre Schätze hier verstecken, oder?«
    Sie wunderte sich, wie ruhig ihre Stimme klang.
    »Gauner? Nein, das sind keine Gauner. Der Besitzer des Edelsteins zum Beispiel ist ein bekannter Mann, der hin und wieder seine Schätze in Sicherheit bringen muss.«
    »Schwere Zeiten also für Kunsthändler seiner Art.«
    »Was heißt da ›seiner Art‹? Du hast ja keine Ahnung, Nore Brand.«
    Sie schluckte leer, aber Heller schien sich zu entspannen. Er duzte sie; er musste sich sehr sicher fühlen. Und stark. Er war bewaffnet. Ihm konnte nichts passieren. Gleich würde er loslegen. Ohne das geringste Risiko. Ihm gefiel es, die beiden Gefangenen vor sich herzuhetzen. Wenigstens ihnen beiden konnte er zeigen, was er für ein Kerl war. Ein Kerl, der imstande war, die ganze Welt an der Nase herumzuführen.
    Sie spürte die Pistole im Rücken. Seine Stimme war nah an ihrem Ohr.
    »Du willst alles wissen, nicht wahr? Kein Problem für mich, die Sache ist geritzt! Zwei von uns dreien werden im Berg bleiben.« Er lachte laut. »Ich habe einen netten Ort gefunden für euch zwei. Einen sicheren Ort. Todsicher sogar!«
    Hene Hari stöhnte leise und tappte weiter.
    »Nicht schlapp machen, jetzt! Keine Angst, bald ist’s vorbei mit Spazieren!«
    »Wer ist der Besitzer des Edelsteins?«, fragte sie.
    Heller lachte hämisch und drückte Nore Brand den Lauf der Pistole hart in den Rücken. Links, dort, wo das Herz war.
    »Der Besitzer? Der war eng befreundet mit Vladimir Plodowski. Da staunst du, oder? Plodowskis Weste war nicht ganz rein. Es gibt einen dunklen Fleck in seiner Biographie. Ein Geschäft mit Raubkunst. Nichts Großes, aber es hätte seinen Ruf und seine Karriere ruinieren können. Für Akademiker ist eine weiße Weste besonders wichtig. Aber ich kam ihm auf die Schliche. Der Mann war unvorsichtig und ich war immer ein guter Forscher. Deshalb war ich sein Assistent und sein Sekretär. Da fand ich doch einiges. Ich ging davon aus, dass jeder eine Leiche im Keller hat. Eine hilfreiche und lukrative Annahme.« Heller kam in Fahrt. »Und als plötzlich von staatlicher Seite Jagd auf diese Kunstobjekte gemacht wurde, kam meine große Chance. Ich mache das Geschäft meines Lebens, weil gewisse Kunstschätze vorübergehend auf die Seite gelegt werden müssen.«
    Raubkunstschätze, korrigierte ihn Nore Brand in Gedanken.
    »Vladimir kannte jemanden vom Nachrichtendienst. Ich musste ihn daran erinnern und schließlich hatte er keine Wahl mehr. Deshalb hat Kommissarin Brand Talverbot erhalten.«
    Er blieb kurz stehen, dann schob er sie weiter.
    »Letztes Jahr bist du mir beinahe in die Quere gekommen. Beinahe. Doch jetzt bist du in die Falle gegangen, Kommissarin Brand. Du hast das Talverbot ignoriert und genau das habe ich erwartet von dir. Du siehst, ich habe dich richtig eingeschätzt.« Er lachte schnaubend.
    Nore Brand hatte aufgehört, die Eisentore zu zählen.
    Sie hustete. Die Luft war muffig.
    »Die Luft ist frisch hier, kein Grund zu husten. Die alten Ventilationen funktionieren tadellos.«
    »Wohin gehen wir?«, fragte sie hustend.
    »Ein paar Schritte noch. Ich habe ein besonderes Kämmerchen eingerichtet. Ein ehemaliger Frischluftschacht wartet auf Besuch. Der ist so frisch, dass man dableiben will, für alle Ewigkeit. Eine Hochzeitssuite sozusagen«, sagte Heller laut, damit Hene Hari ihn auch verstehen konnte. »Man kann sie perfekt abschließen. Unsere Soldaten haben gute Arbeit geleistet damals. Kein Mensch wird euch beide je wiederfinden. Der Zugang ist perfekt getarnt. Dafür habe ich selbst gesorgt. Für diese ganz besondere Gelegenheit.«
    Sie gingen eine steile Treppe hinunter. Hene Hari trottete schweigend voraus.
    Doch etwas in seiner Haltung hatte sich verändert. In seinen Schultern war wieder Spannung. Er schien nach
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