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Stirb, Schätzchen, Stirb

Stirb, Schätzchen, Stirb

Titel: Stirb, Schätzchen, Stirb
Autoren: J. D. Robb
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farben bemalten Wangen und dem pinkfarben getuschten Mund, milchig weißen Teint.
    Sie war vielleicht Mitte fünfzig, überlegte Eve, von grobknochiger Gestalt, trug ein grünes Kleid mit einem schwarzen Kragen, hochhackige, schwarze Schuhe und hatte eine riesengroße schwarze Tasche neben ihren Füßen auf dem Boden abgestellt.
    Als Eve den Raum betrat, stieß die Frau ein schrilles Kreischen aus, stellte eilig ihren Becher vor sich auf dem Schreibtisch ab, sprang auf und sah sie mit leuchtenden Augen an.
    »Da bist du ja!«
    Ihre Stimme hatte einen Klang, der Eve zusammenfahren ließ.
    »Mrs Lombard? Es ist Ihnen nicht gestattet, einfach hier durch die Büros zu laufen.«
    »Ich wollte nur mal sehen, wo du arbeitest. Meine Güte, Schätzchen, lass mich dich erst mal ansehen, ja?« Sie stürzte auf Eve zu und hätte sie umarmt, hätte Eve nicht eilends einen Satz zurück gemacht.
    »Warten Sie. Wer sind Sie? Was wollen Sie von mir?«
    Die grünen Augen wurden groß und feucht. »Aber, Schatz, erkennst du mich denn nicht? Ich bin deine Mama! «

2
    Der Eisklumpen, der sich mit einem Mal in ihrem Magen bildete, stieg ihr bis in den Hals, weshalb sie kaum noch Luft bekam. Jetzt nahm die Frau sie in die Arme, und sie konnte nichts dagegen tun. Der überwältigende Rosenduft, den sie verströmte, raubte ihr den Atem, und die tränennasse Stimme, die grauenhaft nach Texas klang, trommelte wie eine eiserne Faust auf ihren Schädel ein.
    Sie hörte das Schrillen ihres Links. Hörte das Geplauder der Kollegen vor ihrem Büro. Denn sie hatte die Tür nicht zugemacht. Gott, die Tür stand offen, jeder könnte sehen ...
    Dann hörte sie nur noch das laute Surren Dutzender Hornissen, spürte deren Stiche in der Brust und die damit einhergehende Hitze, die noch schlimmer als die Kälte war, weil sie sie fast ersticken ließ.
    Nein, das sind Sie nicht. Nein, das sind Sie nicht. Das sind Sie nicht.
    War das etwa ihre Stimme? Sie klang hoch und weinerlich wie die von einem Kind. Hatte sie die Worte ausgesprochen oder schwirrten sie ihr wie die Hornissen einfach durch den Kopf?
    Sie hob ihre Hände, schaffte es irgendwie, sie anzuheben und die weichen, plumpen Arme fortzuschieben, die sie umklammerten. »Lassen Sie mich los. Lassen Sie mich los.«
    Sie stolperte rückwärts und wäre um ein Haar davon- gerannt. »Ich kenne Sie nicht.« Sie starrte in das Gesicht, nahm die Form und Farben aber nur noch verschwommen wahr. »Ich habe keine Ahnung, wer Sie sind.«
    »Eve, Schätzchen, ich bin's, Trudy! Oh, sieh mich nur an. Jetzt breche ich tatsächlich in Tränen aus.« Schniefend zog sie ein großes, pinkfarbenes Taschentuch aus dem Ärmel ihres Kleides, betupfte sich damit die Augen und fuhr säuselnd fort: »Was bin ich doch für eine dumme alte Frau. Ich dachte, du würdest mich sofort erkennen. Schließlich habe ich dich auch sofort wiedererkannt. Natürlich ist es über zwanzig Jahre her, dass du mich zum letzten Mal gesehen hast.«
    Sie sah Eve mit einem wässrigen Lächeln an. »Ich fürchte, dass die Zeit nicht spurlos an mir vorübergegangen ist.«
    »Ich habe keine Ahnung, wer Sie sind«, wiederholte Eve und betonte dabei jedes Wort. »Aber Sie sind nicht meine Mutter.«
    Trudy klapperte mit ihren Wimpern und bedachte Eve mit einem Blick, den diese nicht deuten konnte;, weil sie immer noch völlig erschüttert war.
    »Kannst du dich wirklich nicht erinnern, Schatz? Du und ich und Bobby in unserem süßen kleinen Haus in Summervale? Nördlich von Lufkin?«
    Die Worte sagten Eve etwas, doch schon der Versuch, die Erinnerung hervorzurufen, rief ein Gefühl der Übelkeit in ihrem Innern wach. »Nachdem ...«
    »Du warst so ein scheues kleines Ding, noch ein richtiger Dreikäsehoch. Natürlich hattest du schlimme Dinge hinter dir, nicht wahr, Schätzchen? Armes kleines Lamm. Ich habe den Leuten vom Jugendamt gesagt, ich könnte einem armen kleinen Lämmlein eine gute Mama sein, und dich mit zu mir heimgenommen, damit du ein richtiges Zuhause hast.«
    »Sie waren meine Pflegemutter.« Sie brachte das Wort nur mit größter Anstrengung heraus. »Nachdem ...«
    »Jetzt erinnerst du dich doch!« Trudy hob ihre zitternden Hände an die Wangen und fuhr mit sich überschlagender Stimme fort: »Ich schwöre dir, in all den Jahren ist kaum ein Tag vergangen, an dem ich nicht an dich gedacht und mich gefragt habe, was wohl aus dir geworden ist. Und jetzt sieh dich an! Du bist Polizistin, lebst in New York City und hast sogar einen Ehemann.
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