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Stirb, mein Prinz

Stirb, mein Prinz

Titel: Stirb, mein Prinz
Autoren: Tania Carver
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geblieben, hatte sich nicht umgedreht, nicht einmal, um sich zu vergewissern, wo sie überhaupt war. Es hatte sie auch nicht gekümmert, dass sie nackt war. Sie war einfach gerannt. In den Wald, hinaus ins Freie. Inzwischen war es Tag. Sie hatte die ganze Nacht an diesem Ort verbracht.
    Faith richtete sich auf. Lauschte, ob etwas anderes zu hören war als ihr eigener rasselnder Atem. Ihr Verfolger.
    Nichts.
    Ihr Körper entspannte sich. Ihr Atem ging nicht mehr ganz so schwer. Das Herz wurde ihr ein klein wenig leichter. Allmählich spürte sie die Schmerzen in ihrem Körper. Fühlte sich wieder halbwegs normal.
    Dann hörte sie es. Das Knacken trockener Zweige. Schritte. Schwere Schritte. Von jemandem, dem es egal war, ob sie ihn hörte oder nicht. Weil er wusste, dass er sie sowieso finden würde. Sie durfte nicht stehen bleiben. Musste weiter.
    Sie sah sich um und fand rasch heraus, woher die Geräusche kamen. Sie wirbelte herum und rannte in die entgegengesetzte Richtung davon.
    Ihre Füße kamen hart auf der Erde auf, und sofort war der Schmerz wieder da. Ihr ganzer Körper brannte. Die kurze Pause hatte es nur noch schlimmer gemacht.
    Weiter. Sie rannte, rannte und rannte. Ihre Arme schwangen vor und zurück, ihre Beine liefen, was sie konnten. Bloß nicht anhalten. Nicht umdrehen. Vorwärts, immer weiter. In Gedanken sah sie ihren Sohn. Auf ihn rannte sie zu.
    Und dann plötzlich … noch andere Geräusche. Diesmal nicht hinter ihr, sondern vor ihr.
    Sie wurde langsamer, kam fast zum Stehen. Erneut lauschte sie, versuchte trotz ihres angestrengten Keuchens auszumachen, was es war.
    Als sie es wusste, lächelte sie.
    Verkehrslärm.
    Sie war in der Nähe einer Straße.
    Vor lauter Erleichterung wurde sie wieder schneller.
    Doch dann: das andere Geräusch, hinter ihr.
    Sie riskierte einen Blick über die Schulter. Er war ganz nah.
    Faith hatte nicht damit gerechnet, dass er so schnell laufen konnte. Nicht bei seiner Körpergröße. Aber er kam unaufhaltsam näher, brach mitten durchs Unterholz, als wäre es gar nicht da. Wie Vinnie Jones in dem X-Men -Film, den sie mit ihrem Sohn zusammen angeschaut hatte.
    »Oh nein, oh Gott …«
    Sie rannte noch schneller. Weg von ihm, auf die Straße zu.
    Der Boden wurde abschüssig. Ein Abhang führte zur Straße hinunter. Faith stolperte ihn hinab. Gestrüpp und Dornen wuchsen hier besonders dicht. Sie zerrten an ihr, versuchten sie aufzuhalten. Sie beachtete sie nicht, spürte nicht die Schmerzen, als ihre Arme und Beine von den Dornen aufgekratzt wurden. Einige verhakten sich unter ihrer Haut, wollten sie nicht loslassen. Faith lief weiter, und die Dornen rissen ihr das Fleisch blutig.
    Egal, alles egal. Hauptsache, sie schaffte es. Sie schaffte es …
    Da war die Straße. Sie konnte die vorbeifahrenden Autos sehen. Ein paar Sekunden, dann wären sie in Reichweite. Ihre Füße wurden noch schneller.
    Und dann, als sie das Dornengestrüpp fast schon hinter sich gelassen hatte, packte er sie.
    Sie stieß einen Schrei aus und versuchte sich loszureißen. Spürte seinen heißen Atem im Nacken. Seine große, fleischige, schwitzende Hand auf ihrer Schulter. Finger, die sich wie dicke Eisenbolzen in ihre Haut bohrten.
    Erneut schrie sie. Sie wusste, dass er viel stärker war als sie, also wurde sie zu einem Aal, der sich hin und her wand, um seinem Griff zu entkommen. Das war ein Trick, den sie vor Jahren mal gelernt hatte und immer dann anwendete, wenn einer ihrer Freier zudringlich wurde. Und sie hatte auch noch ein anderes Manöver auf Lager.
    Sie wand und schlängelte sich in seinem Griff, bis es ihr gelang, den Fuß zu heben und ihm die Ferse in den Schritt zu rammen. Da kann er noch so groß und stark sein , dachte sie. Das spürt jeder .
    Auch er. Er stöhnte auf und lockerte seinen Griff ein klein wenig.
    Mehr brauchte Faith nicht. Sie rammte ihn rückwärts mit ihrem Körper und brachte ihn aus dem Gleichgewicht, so dass sein Griff sich noch weiter lockerte. Dann rannte sie los.
    Auf die Straße zu.
    Als sie den Fahrbahnrand erreicht hatte, sah sie sich um. Er kam immer noch hinter ihr her. Trotzdem erlaubte sie sich ein kleines Siegeslächeln.
    Sie war entkommen. Sie hatte es geschafft. Ja, sie –
    Sah den VW Passat nicht, der um die schwer einsehbare Kurve kam und genau auf sie zuraste.
    Der viel zu schnell fuhr, um noch rechtzeitig bremsen oder ausweichen zu können.
    Der Wagen erfasste sie frontal. Ihr Körper prallte gegen die Windschutzscheibe, die zerbarst,
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