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Stirb, mein Prinz

Stirb, mein Prinz

Titel: Stirb, mein Prinz
Autoren: Tania Carver
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sich noch einmal umzusehen, stürzte er zur Treppe. Es war ihm egal, ob die Stufen unter ihm nachgaben oder nicht. Hauptsache weg, raus aus dem Haus.
    Als er oben war, stolperte er durch die Küche, durchs erste Zimmer und zur Tür hinaus.
    Draußen blieb er nicht stehen, sondern rannte immer weiter. Nur weg, so weit weg wie möglich.
    Denn bevor Gav sich samt Taschenlampe aus dem Staub gemacht hatte, hatte Cam es gesehen.
    Ein Kind. Ein halbwildes Kind.
    In einem Käfig aus Knochen.
    3 Faith rannte.
    Durch die Bäume, tiefer in den Wald hinein. Sie kniff die Augen zusammen, geblendet von der plötzlichen Helligkeit, aber sie gab alles, rannte, so schnell sie konnte. Der Boden unter ihren Füßen war hart und uneben, das Herz in ihrer Brust hämmerte wie verrückt. Sie ruderte wild mit den Armen, stieß ihren Atem keuchend aus. Alles, um schneller zu werden. Noch schneller.
    Um ihn abzuschütteln.
    Ihm zu entkommen.
    Sie rannte weiter. Sie wusste nicht, wohin, und es war ihr auch egal. Kreuz und quer lief sie, wo immer sich eine Lücke zwischen den Bäumen auftat. Sie hatte nur ein einziges Ziel: weg, so weit weg wie möglich …
    Von ihm .
    Wurzeln und Steine schnitten ihr die Füße auf, und ihre Fußsohlen schmerzten bei jeder Berührung mit dem harten Waldboden. Zweige und Ranken peitschten ihren Körper. Brannten auf ihrer Haut. Dornengestrüpp riss an ihr, wollte sie nicht loslassen, sie im Wald festhalten. Sie schlug es beiseite. Redete sich ein, dass sie nichts spürte. Keinen Schmerz, gar nichts. Dafür war später noch Zeit. Sobald sie in Sicherheit war …
    Faith erreichte eine Lichtung und wurde langsamer. Die Hände auf den Oberschenkeln, blieb sie vornübergebeugt stehen und schnappte gierig nach Luft. Es reichte nicht. Sie versuchte, tief zu atmen, aber ihr Körper schaffte es nicht. Ihre Lunge brannte wie Feuer. Sie war einfach nicht groß genug, um die Menge an Luft zu fassen, die sie brauchte. Faith verfluchte sich für ihre miserable Ausdauer. Fürs Rauchen und Trinken und dafür, dass sie nie Sport machte. In Gedanken wiederholte sie gebetsmühlenartig immer wieder dieselbe verzweifelte Bitte:
    Liebergottmachdassichesschaffe … bittebitte … bitte … ichverspreche … bitte … ichversprecheichverspreche … ichwerdeichwerde … alleswasduwillst … ichwerdeniewiederniewieder … bitte …
    Sie kniff die Augen zusammen, konzentrierte alles darauf.
    Bittebittebitte …
    Vor ihrem inneren Auge sah sie Ben. Ihren Sohn. Wie er sie anlächelte. Wie ein Bild aus einer anderen Welt. Sie hatte Donna gebeten, auf ihn aufzupassen, bevor sie zur Arbeit gegangen war.
    Und wie war sie von der Arbeit hierhergekommen? Wie war sie in diese Lage geraten? Wie? Sie wusste es genau. Sie hatte sich für unheimlich schlau gehalten. Hatte in New Town an ihrem angestammten Platz gestanden. So getan, als würde sie sich von einem Freier aufgabeln lassen. Hatte sich sicher gefühlt in dem Glauben, dass die Überwachungskameras ihn irgendwo erfassen würden.
    Dann die Autofahrt. Faith stieg oft bei fremden Männern ein. Sie war sich der Gefahren bewusst. Außerdem hatte sie eine Versicherung, dafür hatte sie extra gesorgt. Deshalb hatte sie das Risiko als nicht allzu hoch eingeschätzt. Jedenfalls nicht für sie. Donna hatte gewusst, was zu tun war. Auf Donna konnte Faith sich verlassen.
    Aber sie hatten die Stadtgrenze passiert, und er war einfach immer weitergefahren. Faith hatte ihn gefragt, wohin er mit ihr wollte, und er hatte es ihr gesagt. An ein ruhiges Plätzchen. Wo sie reden konnten. Wo er das bekommen würde, was er wollte, und sie das, was sie wollte.
    Klar , hatte sie gedacht. Den Spruch kenn ich.
    Aber so war es nicht gelaufen. Ganz und gar nicht.
    Er war tatsächlich mit ihr an ein ruhiges Plätzchen gefahren. Dann … nichts. Bis sie aufgewacht war. Dort. An diesem schrecklichen Ort. Wie aus einem Gruselfilm. Kalt. Und dunkel. Und …
    Oh Gott.
    Die Knochen. Sie hatte sich an die Knochen erinnert.
    Und in dem Augenblick hatte sie gewusst, wohin er sie gebracht hatte.
    Zurück. Zurück nach Hause.
    Und sie hatte es zugelassen. Sie war ungeheuer wütend auf sich gewesen, dass sie einen dermaßen dämlichen Fehler gemacht hatte, und diese Wut hatte ihr die Kraft gegeben zu fliehen. Sie war nicht dumm. Sie wusste, was er getan hatte. Ein Blick auf diesen Ort, und es war sonnenklar gewesen. Wenn sie bliebe, gäbe es für sie keine Zukunft.
    Also war sie weggerannt. Sie hatte nicht gezögert, war nicht stehen
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