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Stille(r)s Schicksal

Stille(r)s Schicksal

Titel: Stille(r)s Schicksal
Autoren: Monika Kunze
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hinterher.
    Anne beugte sich ein wenig vor und konnte über seinen gequälten Gesichtsausdruck nur lachen.
    "Stress in gewissem Maße soll doch sogar sehr gesund sein, das weißt du doch. Aber du weißt doch hoffentlich auch, dass du ganz bestimmt nicht mit
mir
auf eine Insel willst. Oder?"
    Als die Frage heraus war, bereute sie diese auch schon. Musste sie sich so albern aufführen? Mit Dieter verband sie seit Jahren eine aufrichtige Freundschaft. Sonst nichts. Womöglich würde er noch glauben, dass sie mit ihm flirten wolle? Deshalb fügte sie schnell hinzu : "Also, ich verlasse mich darauf, dass du am Sonntag in aller Herrgottsfrühe auf der Matte stehst - tschüs, bis denne!"
    Als sie von ihrem Schreibtisch aufstand und zum Fenster sah, nahm sie nun doch das Schneetreiben wahr. Sogleich spürte sie wieder die wachsende Vorfreude auf die südliche Sonne und das Meer.
    Dieter Ebert nickte nur, ohne aufzusehen. So ganz sicher war er sich eben keinesfalls, dass er nicht doch eventuell mit Anne …. Aber das brauchte sie nicht zu wissen, er wagte es ja selbst kaum, diesen Gedanken zu Ende zu bringen.
    Die Sekretärin steckte ihren blonden Lockenkopf auch beim Chef noch einmal zur Tür hinein.
    "Brauchen Sie mich noch, Herr Biesold? Ich würde sonst gehen."
    "Nein, nein, gehen Sie nur. Schön, dass Sie sogar noch an die Serviceseite für Montag gedacht haben. Da hat Ihre Vertretung am Sonntag etwas weniger Arbeit. Ach, einen schönen, erholsamen Urlaub wünsche ich Ihnen natürlich! Kommen Sie gesund wieder!"
    Horst Biesold stand tatsächlich auf und zwängte sich mit seiner ganzen Fülle mühsam hinter seinem Schreibtisch hervor. Einige, über den Rand des Tisches hängende Manuskripte, flatterten zu Boden. Anne staunte, wie behände er die Blätter aufhob. Unbeachtet warf er sie auf den Tisch, um sich mit Handschlag von seiner Sekretärin zu verabschieden.
    Noch auf der Treppe rieb sich Anne die schmerzenden Finger, wunderte sich über das seltsame Gebaren ihres Chefs. Biesold war ihretwegen aufgestanden? Das hatte es ja bisher noch nie gegeben!
    Und wie meinte er das mit dem gesund wiederkommen? Ahnte oder wusste er gar etwas? Sie war sich doch eigentlich sicher gewesen, dass weder er noch die Kollegen etwas von ihren unerträglichen Schmerzen wissen konnten.
    Während der Heimfahrt merkte nicht einmal sie selbst etwas davon. Vielleicht lag das an den neuen Tabletten - vielleicht aber auch an der Vorfreude, die alles Unangenehme aus ihrer Wahrnehmung ausblendete. Und wenn das so war, dann könnten Urlaubsfreude und Meeresklima ja vielleicht wirklich helfen, wieder richtig gesund zu werden?
Oh nein, nur nicht zu euphorisch werden, Anne,
rief sie sich innerlich zur Ordnung.
    Obwohl: Ihre Hausärztin hatte unlängst ähnliche Hoffnungen geäußert. Vielleicht würde ja nach dem Urlaub sogar der geplante Besuch bei einem Spezialisten überflüssig sein? Anne fühlte sich wieder einmal innerlich völlig zerrissen und erschrak, als sie bemerkte, wie sie auf die Gegenfahrbahn rutschte.
     

Neumaiers Straßentheater
     
    Anne fasste das Lenkrad ihres roten Polo fester, reckte den Hals und hielt nach einem Parkplatz Ausschau.
    Doch sie musste wieder und wieder zwischen den Neubauten umherfahren, bis sie fündig wurde. Den Rest des Weges würde sie zu Fuß gehen müssen. Doch sie würde gern die paar hundert Meter bis zu dem Würfelhaus, in dem sie wohnte, laufen. Von den paar Schneeflocken auf ihrem Gesicht würde sie sich ihre Urlaubsvorfreude nicht nehmen lassen. Im Gegenteil! Sie versuchte mit dem Mund ein paar Flocken aufzufangen und lächelte.
    Sie hatte einmal gelesen, dass selbst ein künstlich vor dem Spiegel eingeübtes Lächeln Glückshormone freizusetzen vermochte. Sie lächelte also noch ein wenig breiter, ohne einen besonderen Grund dafür zu haben, mal abgesehen von der Sehnsucht nach Endorphinen.
    Das Lächeln war auch noch in ihrem Gesicht, als sie festen Schrittes losging.
    Das freute keinen mehr als Opa Neumaier, der mit seinen massigen Brustkorb auf dem Fenstersims lehnte. Diese junge Frau war ihm schon lange aufgefallen, so zart und frisch, wie sie immer aussah - und ein freundliches Wort hatte sie auch stets für ihn übrig gehabt. Er wusste, dass sie als Sekretärin bei der Lokalredaktion arbeitet, wo Überstunden anscheinend an der Tagesordnung waren.
    "Na, Fräulein Hellwig, ist heute mal wieder spät geworden", sprach er sie nun direkt an. "Da gibt es wohl an ihrem Haus keinen Parkplatz mehr?"
    Er
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