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Sternhagelgluecklich

Sternhagelgluecklich

Titel: Sternhagelgluecklich
Autoren: Christoph Koch
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unglücklich.
    Heißt das also, dass wir viel weniger Einfluss darauf haben, wie zufrieden wir mit unserem Leben sind, als uns all die Regalmeter um Regalmeter Ratgeberliteratur glauben machen wollen?
    Vor Jahren habe ich erfahren, dass der Knopf, den man drückt, damit sich in einem Fahrstuhl die Türen schneller schließen, bei vielen Aufzügen überhaupt nicht verkabelt ist – um Unfälle zu vermeiden, so die offizielle Begründung. Ich selbst habe unzählige Fahrstühle erlebt, in denen das Drücken auf diesen Knopf keinerlei Wirkung zeigte. Trotzdem drücke ich diesen Knopf – wie vermutlich die meisten Menschen – immer wieder, wenn mir die Türen zu lange offen stehen bleiben. Genauso sinnlos ist es, immer fester und länger auf die Tasten der Fernbedienung zu drücken, wenn deren Batterien zur Neige gehen. Trotzdem tue ich es, und ich wette, Sie tun es auch.
    Doch was, wenn all unsere Bestrebungen, ein glücklicheres Leben zu führen, so unsinnig und wirkungslos wären wie das Einhämmern auf den Tür-schließen-Knopf im Fahrstuhl und das ausdauernde Herumpressen auf der Fernbedienung? Wenn wir – um eine etwas seriösere Metapher zu wählen – an Deck eines Schiffes stünden, das einen reißenden Strom hinuntertreibt, und hochkonzentriert am Steuerrad drehten – gar nicht gewahr, dass es in Wahrheit die Strömung und die Kurven des Flusses wären, die unseren Kurs bestimmen?
    Glückliche Zwillinge
    Lange Zeit glaubte man – unter anderem basierend auf den Theorien Sigmunds Freuds –, dass unser geistiges und seelisches Wohlergehen fast ausschließlich von den Erlebnissen in unserer Kindheit abhinge, letztlich also von äußeren Umständen. Erst in den letzten drei Jahrzehnten veränderte sich dieses Bild nachhaltig. 6 Zahlreiche Studien analysierten das Leben von eineiigen Zwillingen, die zwar das gleiche genetische Material aufwiesen, aber in unterschiedlichen Familien aufwuchsen, also unter jeweils anderen äußeren Bedingungen. Fast immer waren sich die eineiigen Zwillinge (die hundert Prozent identische Gene hatten) in ihrem Verhalten und Wesen ähnlicher, selbst wenn sie getrennt voneinander aufwuchsen, als zweieiige Zwillinge oder »normale« Geschwister, die durchschnittlich nur die Hälfte ihres Genmaterials gemeinsam hatten. 7 Der US -Psychologe Jonathan Haidt beschreibt es sehr treffend: »Egal ob es um Eigenschaften wie Intelligenz, Extrovertiertheit, Ängstlichkeit oder Religiosität geht oder um die Vorliebe für Jazz und die Abneigung gegen scharfes Essen – eineiige Zwillinge sind sich ähnlicher als zweieiige, und dabei macht es so gut wie keinen Unterschied, ob sie gemeinsam aufgewachsen sind oder nicht. Gene sind keine Blaupause für die Persönlichkeit eines Menschen; man stellt sie sich besser als Rezepte vor, aus denen sich über Jahre hinweg ein Mensch entwickelt.« Da eineiige Zwillinge aus dem exakt selben Rezept hervorgehen, entwickeln sie sich oft so extrem ähnlich, während bei zweieiigen Zwillingen die Rezepte unterschiedlich sind und nur in Teilen auf denselben Zutaten basieren.
    Ergibt es also überhaupt irgendeinen Sinn, sich um sein Glück zu kümmern? Wenn doch ohnehin alles schon vor unserer Geburt in der großen genetischen Lotterie entschieden wurde?
    Ich denke schon. Denn so, wie man aus demselben Kochrezept ein köstliches, aber auch ein fades Gericht zubereiten kann, kann sich auch das genetische Rezept, das in uns angelegt ist, ganz unterschiedlich entwickeln. »Etwa zur Hälfte«, lautet die herrlich unpräzise Einschätzung der Forscher hinsichtlich der Frage, inwieweit unsere Persönlichkeit und unser grundsätzliches Glücksniveau durch unsere Gene bestimmt sind. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass etwa die Hälfte durch äußere Umstände und durch uns selbst beeinflusst wird. Um noch einmal auf die Schiffsmetapher zurückzukommen: Wenn wir davon ausgehen, dass wir am Steuer eines Schiffes stehen, dessen Ruder aufgrund eines Defekts nur die Hälfte der Zeit funktioniert und die andere Hälfte nicht – sollten wir also auf der Brücke bleiben und versuchen, unseren Kurs zumindest so gut es geht zu beeinflussen? Oder sollten wir unter Deck gehen, uns in die Hängematte legen und schicksalsergeben darauf warten, dass wir auf Grund laufen?
    Ich bin dafür, an Deck zu bleiben und auszuprobieren, womit sich das Ruder bewegen lässt. Womit wir also unser Glück beeinflussen können – auch wenn wir womöglich erkennen müssen, dass wir gegen die Natur
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