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Sternenjagd

Sternenjagd

Titel: Sternenjagd
Autoren: David Gerrold
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Weg zurück in die Realität kann manchmal ganz schön weit sein.
    Nachts, wenn ich im Bett lag und auf den Schlaf wartete, dachte ich über das Kapitel des nächsten Tages nach. Was müßte als nächstes geschehen? Wie konnte ich die Rätsel lösen, die ich meinen Charakteren aufgegeben hatte? Wie würde ich den Handlungsstrang voranbringen? Was planten meine Charaktere? Manchmal hatte ich die Antwort bevor ich einschlief, manchmal hatte ich sie nicht. Aber wenn ich am nächsten Morgen aufwachte, besaß ich meistens eine ganz genaue Vorstellung davon, wie das nächste Kapitel aussehen würde.
    Ich nahm an, daß eine von zwei Möglichkeiten eingetreten war. Entweder beschäftigte sich mein Unterbewußtsein mit allen Problemen, während ich schlief, oder kleine Wichtelmänner schlichen um Mitternacht in mein Zimmer und flüsterten mir die Lösung ins Ohr. [iv]
    Später dann ging mir auf, daß ich mir in dieser Zeit eine sehr starke Selbstdisziplin angeeignet hatte, die mir auch in vielen Jahren danach nützlich war. Somit stellte sich meine Zeit in New York als ein wichtiger Wendepunkt in meiner Karriere als Schriftsteller dar. Es war eine der produktivsten Phasen meines ganzen Lebens, und es war das Jahr, in dem ich vom Kurzgeschichtenschreiber zum Romanautor aufstieg. Während dieser Zeit schrieb ich When Harlie Was One (Ich bin Harlie; München 1974), The Man Who Folded Himself (Zeitmaschinen gehen anders: München 1976), die ersten vierzehn Kapitel von A Matter For Men (Die biologische Invasion; München 1986) und den Rest des Romans, der aus meinem ersten Versuch hervorging, Tomorrow Was Yesterday umzuschreiben. Der endgültige Titel lautete Yesterday’s Children (Raumschiff der Verlorenen. Bastei 21099).
    Yesterday’s Children wurde 1972 von Dell veröffentlicht. Die Geschichte besaß achtundzwanzig Kapitel und handelte von einer fanatischen interstellaren Verfolgungs- und Zerstörungsmission. In ihr klangen bewußt Untertöne von Moby Dick und The Enemy Below an, und sie wurde von einigen Lesern ganz treffend als Unterseebootgeschichte im Weltall beschrieben. Nun, jedenfalls eine Art Unterseebootgeschichte. Aber es steckte mehr dahinter als nur das.
    Meine Theorie damals lautete (und sie lautet noch heute genauso), daß, wenn und falls ein Krieg im Weltraum stattfinden würde, die einzige angemessene Umschreibung die zweier Unterseeboote wäre, die sich in der Dunkelheit belauerten. Wenn man die Weite des Weltraums bedenkt sowie die Geschwindigkeiten, mit denen man sich durch ihn bewegt dann funktioniert die Luftkampfmetapher einfach nicht genausowenig wie der interstellare ›Flugzeugträger‹ – er ist viel zu verletzlich.
    Die Physik interstellarer Kämpfe drehte sich um Zeit Geschwindigkeit Entfernung – und Entdeckung. Der Jäger ist genauso verwundbar wie die Beute. Ja, die Rollen von Jäger und Gejagtem sind austauschbar, abhängig nur von den Fähigkeiten der jeweiligen Schiffskommandanten.
    Die Schlachten werden nicht mit Waffen, sondern mit Wahrscheinlichkeiten geschlagen werden, weil beide Seiten intelligente Maschinen zur Verfügung haben, die in ungezählten Simulationen das Ergebnis jeder Aktion vorausberechnen können, während jede Seite nach taktischen Vorteilen sucht Weltraumschlachten werden nicht durch Stärke und Position entschieden, sondern durch Strategie. Nicht nackte physische Überlegenheit sondern psychologische Überlegenheit zählt Weltraumschlachten werden als Gedankenspiele ausgetragen werden, mit Hilfe von Finten und Täuschungsmanövern und häßlichen Überraschungen.
    Und in einem solchen Gedankenspiel wird der Feind stets eine unbekannte Größe darstellen. Er wird niemals mehr als ein Reflex auf einem Bildschirm sein, ein Bewegungsmuster in unseren Simulationen. Wir werden ihm niemals von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten, wir werden ihn nicht als lebendiges Wesen begreifen, das zu Gefühlen wie Wut Haß, Sorge oder Furcht fähig ist. Wir werden den Feind als Idee hassen, nicht als Person. Und weil wir kein Ziel für unsere eigene Wut haben, werden wir unsere Frustration mit hoher Wahrscheinlichkeit an jenen auslassen, die uns am nächsten sind. An unseren Schiffskameraden. In der Idee einer externen Schlacht gegen einen unbekannten Feind ist beinahe zwangsläufig auch die interne Schlacht gegen die eigenen Leute enthalten.
    Es war dieser Gedankengang, der dem Roman seine endgültige Gestalt verlieh. Und seinen ersten, beunruhigenden Schluß. Hören Sie einfach
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