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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
Autoren: Nicole C. Vosseler
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erschrocken auf sie.
    »Die Deutschen auf Sansibar sind doch mit Abstand die dümmsten Menschen, die mir je begegnet sind«, rief sie mit zornfunkelnden Augen aus. »Jeder noch so kleine indische Kaufmann ist eine angenehmere Gesellschaft als alle Deutschen zusammengenommen! – Komm, Rosa«, wandte sie sich an ihre Tochter, während sie den Stuhl zurückschob, und mit hochrotem Gesicht folgte das Mädchen ihr aus dem Speiseraum, der in fassungsloser Stille erstarrt war.
    Die Leiterin des Hospitals, fast so, als hätte sie auf der Lauer gelegen und nur auf diese Gelegenheit gewartet, tauchte aus einem Türrahmen auf, kaum dass Emily und Rosa in den Korridor eingebogen waren.
    »Verzeihen Sie, Frau Ruete«, sprach Fräulein Reutsch sie an, in einer Mischung aus beschämter Bescheidenheit und süffisanter Genugtuung. »Hätten Sie wohl einen Augenblick Zeit?«
    »Natürlich, Fräulein Reutsch«, entgegnete Emily kurz, aber nicht unfreundlich. »Worum geht es?«
    »Nun, die Sache ist die …«, begann die Leiterin zögerlich und spielte mit der kleinen Uhr, die sie an einer langenSilberkette um den Hals trug. »Ich habe den Eindruck gewonnen, Sie scheinen sich hier in unserem gastfreundlichen Hause nicht so recht wohlzufühlen. All Ihre Beschwerden über den Zustand der Räumlichkeiten … und auch Ihr Verhalten gegenüber den anderen Gästen … Sehen Sie, wir verstehen uns als einen Ort der Gemeinschaft, als einen Platz, an dem sich die Deutschen hier in der Fremde heimisch fühlen können. Und Sie …«
    »Mit anderen Worten«, gab Emily hart zurück, »Sie bitten mich zu gehen.«
    »Nun, wenn Sie es so ausdrücken möchten …« Fräulein Reutsch atmete tief durch. »Das wäre für alle Beteiligten gewiss die beste Lösung, finden Sie nicht?«

    Keine vierundzwanzig Stunden später zogen Emily und ihre Tochter um, in ein Häuschen mitten in der Stadt. Als hätten die Sansibaris nur darauf gewartet, dass ihre Bibi Salmé wieder in ihrer Mitte wohnte, eilten sie herbei, sodass die kleinen Räume ständig belebt waren von Vettern und Basen, von alten Freunden und früheren Dienern, die ihre einstige Herrin in guter Erinnerung behalten hatten.
    »Du bleibst doch nun hier, nicht wahr?«
    »Komm, Salmé, werd doch wieder eine von uns! Du gehörst doch zu uns!«
    »Geh nicht zurück zu den Fremden – bleib hier, bleib bei deiner Familie! Bei uns wird’s dir wohlergehen!«
    »Von den Deutschen hast du nichts mehr zu erwarten. Halte dich an uns, wir kümmern uns um dich!«
    Rosa genoss es, das Haus jeden Tag voll mit Besuch zu haben, der durcheinanderschwatzte und lachte. Sie freute sich daran, wie ihre Mutter sichtlich auflebte. Wie ihre Bewegungen wieder Schwung bekamen, wie ihre Augen leuchteten und sie mehr lächelte als früher. Wenn sich manchmal auch eingequälter Zug in ihre Miene schlich – immer dann, wenn sie sich zu sehr bedrängt fühlte, sich wieder dauerhaft auf Sansibar niederzulassen.
    Was, wenn sie tatsächlich einfach hierbliebe? Hier, auf Sansibar – für immer?
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    Aufmerksam betrachtete der Generalkonsul Großbritanniens auf Sansibar, Colonel Euan-Smith, seine Besucherin. Aufrecht saß sie ihm auf der anderen Seite seines Schreibtisches gegenüber, steif beinahe. Nur ihre Finger, die unruhig über den Stapel Briefe wanderten, den sie auf dem Schoß hielt, verriet ihren inneren Aufruhr.
    »Nun, Mrs Ruete«, mit einem Ausatmen lehnte sich der Generalkonsul in seinem Stuhl zurück, »ich fürchte, dass ich nicht allzu viel für Sie tun kann. Für Sie als deutsche Staatsangehörige ist das deutsche Konsulat zuständig.« Wie in Abwehr stützte er die Handflächen gegen die Tischkante.
    »Dort war ich bereits«, sagte sie hastig. »Aber dort wollte man mir nicht helfen.«
    Was den britischen Generalkonsul nicht weiter verwunderte. Es war kein Geheimnis, dass man in Berlin den mit Sultan Barghash geschlossenen Vertrag über dessen Anerkennung der ostafrikanischen Gebiete überdachte. Bei den damaligen Verhandlungen war ein schmaler Küstenstreifen im Besitz des Sultanats verblieben, genau jener Bereich, der den neuen deutschen Gebieten im Osten Afrikas einen uneingeschränkten Zugang zum Meer geboten hätte, und ebendiesen Zugang suchte das Deutsche Reich nun zu bekommen. Dafür war es hilfreich, sich mit Sultan Khalifa gut zu stellen, und eswar wenig nützlich, ihn womöglich gegen sich aufzubringen, indem man sich einmal mehr in eine Sache einmischte, die im Grunde eine reine Familienangelegenheit war.
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