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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
Autoren: Nicole C. Vosseler
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Ihr Blick fiel auf Rosa. »Ist das deine Tochter?«
    »Meine Jüngste. Ich habe noch eine Tochter und einen Sohn.«
    In einer ähnlichen Geste wie bei ihrer Mutter umschloss Zamzam Rosas Gesicht mit den Händen, um sie genau zu betrachten. »So hübsch ist sie! Ganz genau wie du früher sieht sie aus! Mir waren Kinder ja leider nicht vergönnt …«
    Die drei Frauen ließen sich in einem schattigen Winkel des Innenhofs nieder, bekamen Kaffee und sherbet vorgesetzt,und Zamzam deutete auffordernd auf den Teller mit zuckrigem Mandelgebäck.
    »Wie lange mag das nun wohl her sein, Salima?«
    Emily überlegte und rechnete nach. »Mehr als zwanzig Jahre. Vor über zwanzig Jahren hast du mir geholfen, Bububu zu finden und zu bekommen.«
    »Ach ja«, seufzte Zamzam und lächelte breit. »Daran erinnere ich mich noch gut. Zu schade, dass du es nicht behalten konntest.«
    Emily schluckte, blinzelte eine Träne weg.
    Wie ich so vieles nicht behalten konnte. Nicht behalten durfte.
    »Du bist in aller Munde, weißt du das, Salima?«
    »Ich habe so einiges gehört«, gab Emily zurück, einen sarkastischen Unterton in der Stimme.
    Zamzam atmete hörbar aus. Sie schien zu zögern. »Du darfst es Khalifa nicht übel nehmen, dass er nichts von sich hören lässt. Er ist ein unsicherer Herrscher, der unter dem Einfluss mächtiger Ratgeber steht, genau wie unser Bruder Majid einst, und Ali, der mächtigste von Khalifas Beratern, ist ein zweiter Barghash. Ebenso herrschsüchtig und ungerecht.« Sie beugte sich herüber und nahm Emilys Hand. »Khalifa hört auf all die Leute, die sagen, dass die Deutschen dich nicht mehr achten. Dass du aus deinem Land hinausgejagt wurdest und deshalb keiner deiner Landsleute hier mehr etwas mit dir zu tun haben will.«
    Emily spülte den sauren Geschmack in ihrem Mund mit einem Schluck starken süßen Kaffees hinunter.
    »Er wird seine Meinung ändern, wenn du erst einmal einige Zeit hier bist. Wenn er sieht, dass alle bösen Gerüchte über dich Lüge sind. Bleib hier, Salima! Wenn du bleibst, vermache ich dir alles, was ich habe. Und du weißt, das ist nicht wenig! Kehre zu Allah zurück, und du bekommst alles – die Häuser, das Land, alles an Geld und den Schmuck. Kannst hier sorgenfrei leben. Hier, wo du geboren bist.«
    War es nicht das, was Emily sich all die Jahre ersehnt hatte? Die Aussicht, wieder auf Sansibar zu leben? Noch dazu im Kreis ihrer Verwandten, ohne Geldsorgen?
    »Bitte bleib, Salima. Hier gehörst du hin. Nach Sansibar. Kehre zu unserem Glauben zurück, und alles, was war, wird vergessen sein.«
    Will ich das denn – dass alles vergessen ist? Alles, was war?
    »Ich muss darüber nachdenken, Zamzam.«

    Emily nahm sich Zeit. Mehr als drei Monate lang.
    Sie schrieb an Tony und an Said, bat ihre daheimgebliebenen Kinder um Rat, sprach mit Rosa darüber.
    Zeigte ihrer Tochter Beit il Tani, das Haus, in dem sie sich das Schreiben beigebracht hatte und in dem ihre Mutter gestorben war und das inzwischen dem Verfall preisgegeben war. Feierte noch einmal einen Geburtstag auf Sansibar. Fuhr mit Rosa ins Innere der Insel, damit sie die shambas sah, deren Nelkenbäume die ganze Insel in ihren warm-würzigen Duft hüllten. Bei Kisimbani hielten sie nur kurz an; Emily ertrug den Gedanken nicht, dass das Land, auf dem sie mit Heinrich so glücklich gewesen war, längst einen anderen Besitzer hatte.
    Nach Deutschland wollte sie nicht zurück, das stand fest. Zu tief saß die Enttäuschung, die dieses Land ihr bereitet hatte, dieses Land, in das sie einst voller Hoffnung und voller Zuversicht aufgebrochen war. Doch es hatte sie geprägt, das spürte Emily, wenn sie mit weit offenen Sinnen über die Insel ging. Das war nicht mehr das Sansibar, das sie einst gekannt hatte. So wie sie nicht mehr Salima war und auch nicht Bibi Salmé.
    Ich kann nicht einfach wieder zurück. Ich kann nicht einfach wieder schele und Maske überstreifen und so tun, als sei nichts gewesen. Einmal im Leben seinen Glauben abzulegen und einenneuen anzunehmen ist mehr als genug. Ein Glaube ist nichts, was man wechselt wie ein Kleidungsstück, das einem nicht mehr richtig passt. Und ich passe hier nicht mehr hin. Ich bin eine andere als damals, als ich fortging.
    Es war vor allem auch der Gedanke an ihre Kinder, der sie beschäftigte. Wie würde es für sie sein, ihre Mutter auf Sansibar zu wissen, in einer Welt, die eine so ganz andere war als die, in der sie aufgewachsen waren? Und kämen sie mit – wie fänden sie sich
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