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Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne

Titel: Sterne über Sansibar - Vosseler, N: Sterne über Sansibar - Die diamantene Zisterne
Autoren: Nicole C. Vosseler
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allein, nachdem ihre Töchter eine nach der anderen nach Deutschland zurückgegangen waren. Doch bei jeder Hochzeit war sie gekommen und bei jeder Taufe ihrer sechs Enkelkinder. Auf Wunsch der Kinder war sie rechtzeitig vor Kriegsbeginn nach Europa zurückgekehrt. Lebte erst bei Rosa in Bromberg nahe Danzig, wo deren Mann, ein Offizier, stationiert war. Tony, die einen Kolonialbeamten geheiratet hatte, war nach ihremAufenthalt auf den Marshall-Inseln nach Hamburg gezogen, und Emily lebte abwechselnd bei ihr und bei Rosa, die mit Mann und Kindern nach Jena gezogen war, hierher, in dieses Haus, in dem Emily nun ihre letzten Tage verbracht hatte.
    Sie besuchte Rudolph in Cairo und in Luzern. Rudolph, der seinen Abschied vom Militär genommen hatte und erst als Generalinspektor der Eisenbahn in Ostägypten tätig gewesen war, dann in beratender Eigenschaft bei verschiedenen Banken in der Schweiz und in London. Erst letztes Jahr hatte Emily sich mit ihm nahe Lindau am Bodensee getroffen, um sich ein paar Tage zu erholen. Und Berlin, immer wieder Berlin, die Stadt, die für ihre umtriebigen Kinder oft eine Zwischenstation darstellte.
    Emily Ruete hatte ein bewegtes Leben geführt, von dem die Gegenstände, die ihre Kinder unter ihren Habseligkeiten gefunden hatten, Zeugnis ablegten: Ein hurs , ein Wächter , ein Buch mit ausgewählten Versen des Koran im Miniaturformat, verborgen in einer Kapsel aus ziseliertem Gold mit einem eingelassenen Saphir in der Mitte. Ein Konzertprogramm aus dem Aden des Jahres 1867, auf Seide gedruckt, dessen Begleitbrief adressiert war an Her Royal Highness the Princess of Zanzibar . Ein Stein, Bruchstück eines Frieses, an dem graugrüne Krümel hafteten, vielleicht die Überreste von Gräsern und Blättern.
    Schließlich ein handgenähtes Säckchen aus verblichenem, rotem Stoff, dessen bunte orientalische Stickerei sich schon aufzulösen begann. Rudolph zog es an der Kordel auf, spähte hinein und machte ein überraschtes Gesicht – das Gesicht, das seinem Großvater, dem Sultan, so sehr ähnelte. Er schüttete etwas vom Inhalt in seine Handfläche und zeigte es seinen Schwestern. »Sand.«
    »Sie muss ihn mitgebracht haben«, flüsterte Rosa. »Aus Sansibar. So alt, wie das Säckchen aussieht. Damals, als sie die Insel verließ, um Vater zu heiraten.«
    »Ich glaube, sie hatte es immer bei sich«, ließ sich Tony vernehmen, hörbar erschüttert. »Ich meine, es ein paarmal in ihrer Handtasche gesehen zu haben.«
    Stumm starrten alle drei auf das Stückchen Heimat, das ihre Mutter fast sechzig Jahre lang bei sich getragen hatte, wohin sie auch ging.
    »Ich finde, wir sollten es ihr mit in die Urne geben«, schlug Rudolph schließlich vor und füllte den Sand sorgsam zurück, damit auch kein Körnchen davon verloren ging.
    Tony sah ihren Bruder an. Lange stand es nicht zum Besten zwischen ihnen. Tonys Mann hatte Rudolph als Vaterlandsverräter bezeichnet, als dieser am Tag vor der Kriegserklärung in die Schweiz ging, und dass er durch Rudolphs Heirat mit der Tochter einer jüdischen Familie verschwägert war, hatte er ihm nie verziehen. Erst seit der Trennung von ihrem Mann näherten sich Tony und Rudolph einander langsam wieder an. Sie lächelte. »Ja, das sollten wir tun.«
    Beide wandten sich Rosa zu, die nur nicken konnte, weil ihr erneut Tränen über das Gesicht liefen.
    Vorsichtig zog Rudolph die Kordel wieder zu und legte das Säckchen vor ihnen auf den Tisch.

    Sie gaben es in die Urne, in der Emily Ruetes Asche ihre letzte Ruhe fand. In Hamburg, auf dem Friedhof von Ohlsdorf.
    Neben Heinrich.
Nachwort
    Der ist in tiefster Seele treu,
Wer die Heimat liebt wie Du.

    Dieses Zitat von Theodor Fontane, in dessen Nachbarschaft Emily Ruete während ihrer Jahre in Berlin für einige Zeit lebte, dem sie aber offenbar nie begegnet ist, ist auf ihrer Grabplatte auf dem Hamburger Friedhof Ohlsdorf zu lesen. Unter ihrem deutschen Namen und ihren Lebensdaten – und unter einem arabischen Siegel, das bedeutet: Salmé, Prinzessin von Oman und Sansibar .
    Ein Grabstein, der in seiner Gestaltung das Leben der Person widerspiegelt, deren Asche darunter bestattet ist.
    Ein Leben, wie man es nicht abenteuerlicher, dramatischer und tragischer hätte erdichten können: ein Leben zwischen zwei Welten, zwischen Orient und Okzident, Islam und Christentum, verbunden mit einem Stück deutscher und britischer Kolonialgeschichte. Und nicht zuletzt ein Leben, das bestimmt war von einer großen Liebe, die alle
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