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Stern der Göttin

Stern der Göttin

Titel: Stern der Göttin
Autoren: Sandra Melli
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Augenblick an haben wollen. Sie blickte an sich hinab, um zu schauen, wo sie es verstecken konnte, doch außer ihrem kurzen Kilt aus Leder trug sie nur den schmalen Gurt mit dem Dolch sowie den auf den Rücken geschnallten Köcher mit dem Bogen.
    So beschloss sie, den weißen Stern im Köcher zu verstecken. Doch in dem Augenblick, in dem sie den Riemen über den Kopf streifen wollte, flammte das Schmuckstück auf und hüllte sie in grelles Licht. Laisa schloss geblendet die Augen und ließ den Stern erschrocken fallen. Gleichzeitig erhob sich um sie herum ein Raunen und Summen, und sie glaubte, ein fremdartig klingendes Lied zu vernehmen. Im nächsten Moment wirbelte sie durch die Luft und hatte das Gefühl, in einen schier endlosen Abgrund zu stürzen. Zum ersten Mal in ihrem Leben wurde ihr schwindlig. Als sie schon glaubte, sich übergeben zu müssen, verlangsamte sich ihr Fall, und sie sank zu Boden.
    Kaum stand Laisa wieder auf den Beinen, riss sie erschrocken die Augen auf. Das blendend helle Licht war erloschen, und sie sah sich mit kampfbereit ausgefahrenen Krallen um. Aber es war niemand in ihrer Nähe, abgesehen von ein paar Fliegen und einem schrillgrün gefärbten Schmetterling. Sie befand sich immer noch in einem Wald, doch dieser sah ganz anders aus als die Wälder, die sie gewohnt war. Blätter und Blüten der Pflanzen sowie die Rinde der Bäume, alles leuchtete in sehr ähnlichen Grüntönen, die ihr unnatürlich grell vorkamen. Auch die Insekten, die zwischen den Bäumen umherflogen, schillerten in dieser Farbe, und der Wald roch sogar danach.
    Laisa kannte keine einzige der Pflanzen und hatte auch die meisten Tiere noch nie gesehen. Auch erschreckte sie der blassblaue Mond, der hoch am Himmel stand und selbst am Tag deutlich zu erkennen war. Von einem Land wie diesem hatte sie noch nie etwas gehört, auch nicht von einem Grün, das man riechen konnte. Selbst als sie mit einer ihrer Krallen die Rinde eines Baumes aufritzte, schimmerte es grün durch, und das austretende Harz bildete einen dicken, grün schillernden und riechenden Tropfen.
    Farben besitzen keine Gerüche, schalt Laisa sich. Das wusste schließlich jedes Kind. Aber hier nahm sie ein intensives Aroma wahr, für das sie keinen anderen Ausdruck fand. Auch stand sie unter den eigenartigsten Bäumen, die sie je gesehen hatte. Die Stämme ragten so hoch in den Himmel, dass der größte Waldbirnenbaum gegen sie wie ein Busch wirken musste.
    Selbst das Moos zu Laisas Füßen glomm in einem unnatürlich kräftigen Grün, und ein Pilz, den sie in einiger Entfernung entdeckte, leuchtete wie ein übergroßes Glühwürmchen. Neugierig geworden pflückte sie ihn und zerbrach den handtellergroßen Schirm. Auch sein Inneres strahlte in dieser intensiven Farbe. Dennoch verriet ihr der Geruch, dass der Pilz essbar war. Versuchsweise leckte sie daran, und er schmeckte erstaunlich gut, besser sogar als die Waldbirnen, die sie gewohnt war. Sie steckte sich die Stücke in den Mund und rollte sie eine Weile auf der Zunge, um festzustellen, ob nicht doch noch ein verborgenes Gift darin war. Aber das schien nicht der Fall zu sein. Daher aß sie ihn auf und widmete sich der weiteren Umgebung.
    Das Land hier war weitaus lebendiger als die Gegend, in der sie aufgewachsen war, und die Gerüche so verwirrend, dass sie nicht feststellen konnte, woher sie stammten. Sogar die Wolken am Himmel schienen einen leichten Duft auszuströmen, dem sie instinktiv die Farben Grün, Gelb oder Weiß zuordnete.
    Angesichts dieser bedrückenden Andersartigkeit ihrer Umgebung fühlte Laisa sich hilflos wie ein neugeborenes Kätzchen und maunzte auch so, als würde sie ihre Mutter suchen. Wo bin ich denn hier hingeraten?, dachte sie verzweifelt und musste sich zwingen, nicht blindlings davonzustürmen.
    Sie presste die Kiefer zusammen, bis sie schmerzten, und kletterte an einem Baum hoch in der Hoffnung, die Straße zu entdecken, auf der die Handelskarawane zog, die sie schützen sollte. Doch als sie den Gipfel erreicht hatte und den Kopf durch das dichte Geäst streckte, traf sie der nächste Schock. Direkt vor ihr erhob sich ein hoch aufstrebendes Gebirge mit weiß gleißenden Gipfeln, und über diesem kreisten Vögel von einer Art, die sie noch nie gesehen hatte.

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    Drittes Kapitel
    Khaton
    W as für eine Verschwendung von Talenten, dachte Khaton , als sein Blick über die Köpfe seiner Schüler schweifte. Die junge Adelige, die direkt vor ihm saß, hätte zu einer
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