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Sterben in Rom

Sterben in Rom

Titel: Sterben in Rom
Autoren: Vampira VA
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auf die schreckliche Wunde. »Aber vielleicht gibt es gar keine Tatwaffe.«
    »Was soll das heißen?«
    »Das Ganze sieht für mich eher nach einer -«, Rosati hielt kurz inne, eindeutig aus Gründen der Dramaturgie, weil er seiner Vermutung die angemessene Bedeutung zukommen lassen wollte, » Bißwunde aus.«
    »Sie glauben, ein Tier hätte das getan?« fragte Twistelli zweifelnd.
    Der Inspettore hob die Schultern. »Es könnte sein.«
    Twistelli nickte langsam. Sein Blick ruhte unverwandt auf der Toten. Aber er erweckte den Eindruck, als würde er etwas ganz anderes sehen. Etwas, das sich nur ihm erschloß - oder vielmehr erschließen würde, wenn er nur lange genug hinsah.
    »Eine Bißwunde ...«, murmelte er gedankenversunken, »... ja, vielleicht .«
    Motorengeräusche klangen auf, näherten sich. In der engen Gasse hörte es sich an wie Donnergrummeln. Twistelli schrak auf, blinzelte verwirrt, und allein damit lenkte er die Aufmerksamkeit einiger seiner Leute zumindest für einen Moment auf sich, weil sie solcherlei Unkonzentriertheit von ihm nicht kannten. Dann wichen sie zurück, als zwei Ambulanzwagen, Heck an Stoßstange, im Schrittempo herankamen. Die wuchtigen Fahrzeuge hatten allerlei Umwege fahren müssen, um überhaupt irgendwie durch das Gassengewirr zum Tatort zu gelangen. Deshalb trafen sie mit solcher Verspätung ein.
    »Weisen Sie die Leute ein, Cesare«, sagte Twistelli lahm und wies zu den Ambulanzen hin. »Notieren Sie alles und verständigen Sie den Gerichtsmediziner.«
    Die polizeieigene Pathologie wurde zur Zeit umgebaut und renoviert, und so wurden Mordopfer in die umliegenden Krankenhäuser geschafft und dort untersucht. Daran würde sich wohl noch eine ganze Weile nichts ändern. Twistelli hatte ein paarmal einen Blick auf die Baufortschritte geworfen - und feststellen müssen, daß der Begriff »Fortschritt« die Sache nicht traf. Nun, er kannte das Arbeitstempo seiner Landsleute .
    »Commissario?« Cesare Rosatis Tonfall klang besorgt.
    »Hm?«
    »Ist ... irgend etwas nicht in Ordnung mit Ihnen?« fragte der In-spettore.
    »Nein, schon gut«, brummte Twistelli unwillig und wandte sich ab. »Kümmern Sie sich um alles, ja? Wir versuchen dann später, diesen . wie hieß er noch?«
    »Von Soettingen. Sebastian von Soettingen.«
    Twistelli nickte. »Ja, wir befragen ihn später. Vielleicht können sie ihn im Krankenhaus soweit bringen, daß er zumindest reden kann.«
    Er ging ein Stück zur Seite, blieb stehen und ließ den Blick schweifen.
    Zum Sterben gibt es wohl kaum den richtigen Ort. Aber dieser hier war der erbärmlichste, den er sich nur vorstellen konnte. Nur Ratten lebten hier, vier- wie auch zweibeinige. Und genauso stank es auch zwischen all den dreckigen Buden, die vor langer Zeit die Berechtigung verloren hatten, Häuser genannt zu werden.
    Obwohl ihn ihr Anblick anwiderte, starrte Nero Twistelli sie an, ließ seinen Blick unendlich langsam an den rissigen, schmutzigen Wänden entlangwandern. Als wäre ihm dieser Anblick immer noch willkommener als der des toten Mädchens.
    Erst als er aus den Augenwinkeln gewahrte, daß die Sanitäter den Leichnam in eine Zinkwanne hievten, sah er noch einmal hin. Und sein Blick wurde von der klaffenden Halswunde wie magisch angezogen.
    Hastig wandte er sich wieder ab, sah von neuem zu den leeren Fensteröffnungen hinauf. Jener Teil der Dunkelheit, den die Scheinwerfer verbannt hatten, schien sich in die Häuser ringsum zurückgezogen zu haben - und mit ihm alles, was unter den dunklen Fittichen der Nacht gedieh.
    Ein Laut wie ein dumpfer Gong rollte durch die Gasse, als der Deckel des Metallsargs geschlossen wurde. Twistelli schaute hin und glaubte, die fürchterliche Wunde noch immer sehen zu können, durch den Deckel hindurch.
    Eine Bißwunde, hatte Cesare Rosati vermutet.
    Vielleicht, dachte Twistelli, hat er recht...
    Der Gedanke bewirkte etwas in ihm, einer geheimnisvollen Kraft gleich, die nicht seinem Willen unterlag. Etwas, das ihm vorkam wie fremde Finger, begann in ihm zu wühlen, zaghaft noch, aber doch auch tiefer und tiefer.
    »Wie damals ...«, murmelte Nero Twistelli unvermittelt. Er wußte nicht, weshalb er es sagte, und er wußte nicht, was es bedeuten konnte.
    Jene Finger gruben sich weiter in sein Innerstes, und schließlich rührten sie an etwas Eisigem.
    Und Nero Twistelli tat etwas, das er lange nicht getan hatte.
    Er fröstelte. Wie in ärgster Kälte.
    Aber die Nacht über Rom war mild.
    * Jemanden zu finden, der den
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