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Sterben für Anfänger: Wie wir den Umgang mit dem Tod neu lernen können (German Edition)

Sterben für Anfänger: Wie wir den Umgang mit dem Tod neu lernen können (German Edition)

Titel: Sterben für Anfänger: Wie wir den Umgang mit dem Tod neu lernen können (German Edition)
Autoren: Susanne Conrad
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ihr sichtbar bessergegangen. Eine Art letzter Ehekrach sei das wohl gewesen.
    Vergleichsweise harmlos scheint dagegen, wenn sich Angehörige im Trauergespräch plötzlich auf nichts einigen können – nicht auf Urnen- oder Erdbestattung, nicht auf die Art und Farbe des Sarges, den Ablauf der Trauerfeier, nichts. Deshalb, sagen die Bestatterinnen, kann es durchaus hilfreich sein und solche Konflikte vermeiden helfen, wenn man zu Lebzeiten Vorsorge für die eigene Bestattung trifft. Das erfordert Mut und die Bereitschaft zur Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit. Aber eine bewusste Vorbereitung auf den eigenen Tod kann auch bedeuten, selbst zu entscheiden, wie und wo man, beispielsweise, beigesetzt werden möchte.
    Meine Eltern wollten beerdigt werden in einem Grab »wie ein kleiner Garten«, hatte sich meine Mutter gewünscht. Ava dagegen fürchtet sich vor dem Sarg, stellt es sich unheimlich vor, in dieser Kiste unter der Erde zu liegen, und möchte lieber verbrannt werden. Auch wenn das nach muslimischem Brauch eigentlich nicht vorgesehen ist. Für Ursula ist heute schon klar, dass sie unter einem Baum beigesetzt werden möchte. Anschließend sollen sich Freunde und Familie Geschichten erzählen und Fotos von ihr anschauen und an schöne, gemeinsam verbrachte Stunden denken – im Sommer am liebsten bei einem Picknick.
    Es gibt die Möglichkeit der selbstbestimmten Gestaltung selbst dieses letzten Schrittes und entlastet die Angehörigen. Wobei viele Hinterbliebene es als besonders wichtig empfinden, mit der Gestaltung des Abschieds ihren Verstorbenen einen letzten Liebesdienst zu erweisen.
    Die Auswahl des Blumenschmucks, die Vorbereitung der Trauerfeier, das Verschicken der Traueranzeigen, die Entscheidung für einen Sarg – das sind Gelegenheiten, sich mit dem Toten noch einmal intensiv zu befassen. Diese organisatorischen Aufgaben können den Trauernden im Chaos der Gefühle Halt und Struktur geben.
    Ich kann mich erinnern, dass ich diese Zeit zwischen Tod und Beerdigung meiner Eltern tatsächlich in einer Art Tunnel verbracht habe. Psychologen bezeichnen diese Phase als Schleusenzeit, in Anlehnung an die Schleuse im Schiffsverkehr, in der die Niveauunterschiede zwischen zwei Gewässerabschnitten durch Anheben oder Absenken des Wasserspiegels ausgeglichen werden. Der Trauernde befindet sich in einer Art Ausnahmezustand, verlässt gewissermaßen die Welt, wie sie vor dem Verlust des geliebten Menschen war, und kehrt erst nach der Beisetzung in den Alltag zurück, in ein Leben ohne den Verstorbenen. Für mich war es hilfreich, mit Verwandten und Freunden zu telefonieren, ihnen von den letzten Tagen und Stunden der Eltern zu erzählen, die Trauerpost zu erledigen und gemeinsam mit der Familie über die Gestaltung der Trauerfeier nachzudenken.
    Oft wird zum Beispiel neuerdings der Wunsch geäußert, dass Kinder den Sarg eines verstorbenen Eltern- oder Großelternteils bemalen oder gestalten können.
    Weit verbreitet und sehr alt ist dagegen der Brauch, dem Toten Gegenstände mit auf den Weg zu geben. Die alten Ägypter zum Beispiel stellten sich das Jenseits ganz ähnlich vor wie die diesseitige Welt und gaben ihren Verstorbenen deshalb Nützliches mit auf ihre Reise. Essen, gefüllte Weinkrüge, Musikinstrumente, festliche Kleidung und kostbaren Schmuck. Es gab außerdem hilfreiche Tipps für den Umgang mit Problemen oder Hindernissen auf dem Weg ins Jenseits in Form des Ägyptischen Totenbuchs – Sprüche und Zauberformeln für die Bekämpfung von Ungeheuern oder das Bestehen gefährlicher Prüfungen.
    Auch die berühmte chinesische Terrakotta-Armee war nichts anderes als eine gewaltige Grabbeigabe. Rund achttausend Tonkrieger, Wagengespanne und Hunderte von Pferden in Lebensgröße wurden im 3. Jahrhundert vor Christus in einer gigantischen Grabanlage Kaiser Quin Shi Huangdi zur Seite gestellt, um ihn zu schützen und in einer möglichen Schlacht im Jenseits für ihn zu kämpfen.
    Auch heute noch oder wieder geben Hinterbliebene ihren Verstorbenen Gegenstände mit auf den Weg. Es ist eine letzte Form der Fürsorge und Zuwendung, das Gefühl, noch etwas zu tun, wenn man eigentlich nichts mehr tun kann. Es würdigt den Toten noch einmal in dem, was ihn ausgemacht hat, und stellt gleichzeitig eine Verbindung her zwischen ihm und dem, der den Gegenstand mitgibt.
    Die Familie des kleinen Julian legte ihm zum Beispiel seine Spieluhr und Kuscheltiere in den Sarg, und jeder, der zur Beerdigung kam, hatte die
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