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Sterben für Anfänger: Wie wir den Umgang mit dem Tod neu lernen können (German Edition)

Sterben für Anfänger: Wie wir den Umgang mit dem Tod neu lernen können (German Edition)

Titel: Sterben für Anfänger: Wie wir den Umgang mit dem Tod neu lernen können (German Edition)
Autoren: Susanne Conrad
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Trauerforum oder fernöstliche Lichter-Zeremonie, wichtig ist nur, dass die Rituale, für die wir uns entscheiden, zu dem Menschen passen, den wir verabschieden, und denen, die sie praktizieren, sinnhaft erscheinen. Dann können sie in dieser schwierigen Phase eine Art Geländer sein, an dem man sich festhalten und abstützen kann.
    Deshalb empfehlen die Bestatterinnen auch, sich schon Gedanken zu machen, bevor ein nahestehender Mensch stirbt, um im Todesfall nicht völlig unvorbereitet und hilflos zu sein.
    Für sie, haben mir beide versichert, sei ihr Beruf vor allem deshalb auch Berufung, weil sie jeden Tag für andere Menschen ganz Wesentliches und Sinnvolles tun können. Und auch für sie selber sei die ständige Konfrontation mit der Endlichkeit des Lebens ein Geschenk, denn es mache ihnen die Kostbarkeit jedes Augenblicks umso bewusster.
    Für sie habe der tägliche Umgang mit Toten auch die Haltung zum eigenen Tod verändert, erzählt Stefanie Jost. »Ich übe mich tagtäglich darin, ihn als unausweichliche Tatsache zu akzeptieren. Aber die Auseinandersetzung damit ist auch für mich ein andauernder Prozess und wird es bis zu meinem letzten Atemzug sein.«
    Beide Frauen sind Mütter mit Familien, die mitten im Leben stehen, offen und zugewandt. Die eine war Innendekorateurin, die andere in der Touristikbranche tätig – aber beiden genügten diese beruflichen Herausforderungen nicht mehr. Sie fanden ihre neue Aufgabe in einem Bereich, den viele wohl im harmlosesten Fall ungewöhnlich, die meisten aber befremdlich oder gar beängstigend finden. »Dabei«, sagt Evelyne Fischer, »sollte der Umgang mit Tod und Toten für uns doch ganz selbstverständlich sein. Wir werden geboren und wir sterben, Geburt und Tod sind die beiden großen Übergänge in unserem Leben, das können wir doch nicht wegdrängen.« Die beiden Frauen wollen dazu beitragen, dieses ganz natürliche Ereignis wieder ins Leben hereinzuholen, dahin, wo es hingehört. Sie wollen etwas verändern im Umgang mit diesem Thema, und damit auch im Umgang mit den Toten.
    Bedrückend jedenfalls finden sie ihre Arbeit nicht, ganz im Gegenteil stellen sie fest: Im Angesicht des Todes erleben wir hier das pralle Leben in wirklich allen nur denkbaren Facetten.
    Was von uns bleibt
    Ich will noch fortleben nach meinem Tode.
Anne Frank, Tagebucheintrag, 4. April 1944
    Mit jedem Menschen, der stirbt, verlischt ein ganz eigener Kosmos von Wissen und Erfahrungen, von Gefühlen und Gedanken, von Erlebtem und Ungelebtem. Eine Welt geht unter und mit ihr all das, was genau diesen Menschen ausgemacht hat. Soll das alles gewesen sein? Und wenn es so wäre, welchen Sinn hätte das Leben dann gehabt? Wäre ich dann nichts weiter gewesen als ein kleines, ganz unbedeutendes Rädchen im großen Weltgetriebe?
    In den Monaten nach meiner Krebsdiagnose haben mich solche Gedanken häufig umgetrieben. Die Vorstellung, dass meine Kinder irgendwann ganz selbstverständlich ohne mich weiterleben würden, tat einerseits weh, war andererseits aber auch wieder tröstlich. Aber nur als vage Erinnerung zu überdauern, als vergilbtes Foto vielleicht, in einem Album, das nur noch selten zur Hand genommen würde, das schien mir ein bisschen wenig.
    Ava genügt das: »Ich will, dass fast gar nichts von mir bleibt, jedenfalls nichts aus dieser schrecklichen Zeit, in der ich nur noch schwach und elend war. Ich hoffe, dass meine Kinder an die guten Zeiten denken und vor allem Schönes von mir im Gedächtnis behalten.« Die gemeinsamen Erlebnisse der letzten Jahre, die Reisen mit Mann und Kindern, sollen wie Kiesel, die man ins Wasser wirft, noch Kreise der Erinnerung ziehen, auch wenn sie schon längst gegangen ist.
    Die Angst vor dem Vergessenwerden beschäftigt den Menschen möglicherweise schon seit der Steinzeit – und zwar wortwörtlich. So alt sind nämlich die ältesten Höhlenmalereien der Welt. Welche Bewandtnis es mit ihnen hatte, ist den Forschern bis heute nicht ganz klar. Eine religiöse, spirituelle Bedeutung liegt auf der Hand, aber, wer weiß, vielleicht waren ja auch das Werke gegen das Vergessen. Jedenfalls zeigen sie uns heute noch: Schaut, so haben wir gelebt, das war unsere Welt. Wesentlich kunstvoller zwar, aber im Grunde genauso wie Kritzeleien auf Häuserwänden oder in Baumstämme geschnitzte Herzen, haben sie die Botschaft hinterlassen: Wir waren da.
    Menschen haben im Laufe der Geschichte viel getan, um nicht vergessen zu werden: So zerstörte 365 v. Chr. ein Mann
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