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Steinbock-Spiele

Steinbock-Spiele

Titel: Steinbock-Spiele
Autoren: Robert Silverberg
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wissen Sie, daß ich ein Exemplar von dem Buch
    habe?«
    »Ein Buchhändler in Conning Town meinte, Sie hätten vielleicht
    eines.«
    Eine Pause.
    »Na gut. Angenommen, ich habe es. Sind Sie den ganzen Weg
    von Ganfield hergekommen, nur um ein Buch zu kaufen?«
    Plötzlich beugt sie sich vor und lächelt – ein warmes, starkes,
    durchdringendes Lächeln, das ihr Gesicht völlig verwandelt: jetzt
    ist sie wach, aufmerksam, klug, herrisch. »Was wollen Sie?«
    fragt sie.
    »Was ich will?«
    »Was suchen Sie hier? Worauf wollen Sie hinaus?«
    Es ist der Augenblick für völlige Offenheit.
    »Ich suche eine Frau namens Silena Ruiz aus Ganfield. Haben
    Sie von ihr gehört?«
    »Ja. Sie ist nicht in Hawk Nest.«
    »Ich glaube, sie ist in Kingston. Ich möchte sie finden.« »Warum? Um sie zu verhaften?«
    »Nur, um mit ihr zu reden. Ich habe viel mit ihr zu besprechen.
    Sie war meine Monats-Frau, als sie Ganfield verließ.«
    »Der Monat muß fast vorbei sein«, sagt Holly Borden.
    »Trotzdem«, antworte ich. »Können Sie mir helfen, sie zu finden?«
    »Weshalb sollte ich Ihnen trauen?«
    »Weshalb nicht?«
    Sie denkt kurze Zeit nach. Sie studiert mein Gesicht. Ich spüre die Hitze ihrer Prüfung. Schließlich sagt sie: »Ich werde bald nach Kingston reisen. Ich könnte Sie ja mitnehmen.«
11
    Sie öffnet eine Falltür; ich steige in einen Raum unter der Buchhandlung hinunter. Nach vielen Stunden bringt mir ein magerer, grauhaariger Mann ein Tablett mit Essen.
    »Nennen Sie mich Nate«, sagt er.
    Über mir höre ich undeutliche Gespräche, Gelächter, das Poltern von Stiefeln auf dem Holzboden. In Ganfield wird jetzt vielleicht eine Hungersnot einsetzen. Ratten werden Ganfield Hold umtanzen. Wie lange werden sie mich hier festhalten? Bin ich ein Gefangener? Zwei Tage. Drei. Nate beantwortet keine Fragen. Ich habe Bücher, ein Feldbett, ein Waschbecken, ein Trinkglas. Am dritten Tag öffnet sich die Falltür. Holly Borden schaut herunter.
    »Wir können gehen«, sagt sie.
    Die Expedition besteht nur aus uns beiden. Sie will nach Kingston, um Bücher zu kaufen, und reist mit einem Handelspaß, der einen Gehilfen vorsieht. Nate führt uns am Nachmittag zur U-Bahn. Es kommt mir nicht mehr ungewöhnlich vor, daß ich von Distrikt zu Distrikt ziehe; sie sind keine solch fremdartigen und feindseligen Orte, nur verschieden von dem Ort, den ich kenne. Ich sehe mich auf einer Odyssee, die mich durch Hunderte von Distrikten führt, sogar durch Tausende, das ganze wilde Flickwerk unserer Welt. Warum nach Ganfield zurückkehren? Warum nicht immer weiterziehen, immer nach Osten, zum großen Ozean und weiter, zu den unvorstellbaren Fremdheiten auf der anderen Seite?
    Wir sind in Kingston. Ein alter Distrikt, einer der ältesten. Wir sind die einzigen, die heute von Hawk Nest aus hinfahren. Die Pässe werden nur oberflächlich geprüft. Die Polizeimaschinen von Kingston sind groß, mit langen Armen und geriffelten Leibern, die rote und grüne Streifen tragen: ein fröhliches Bild. Ich werde Experte für die Verschiedenheiten von Polizeimaschinen. Kingston selbst ist ein Distrikt mit niedrigen, pastellfarbenen Gebäuden, in speichenartigen Straßen angeordnet, die von der berühmten Universität, seinem Hauptunternehmen, ausgehen. In meiner Erinnerung ist niemand aus Ganfield in diese Universität aufgenommen worden.
    Holly erwartet, daß Freunde sie abholen, aber sie sind nicht gekommen. Wir warten fünfzehn Minuten.
    »Macht nichts«, sagt sie. »Wir gehen zu Fuß.«
    Ich trage das Gepäck. Die Luft ist sanft und mild; die Sonne, Richtung Folkstone und Budleigh wandernd, steht noch hoch am Himmel. Es ist, als hätte ich eine göttliche Absicht erkannt, einen überragenden Plan in der Struktur unserer Gesellschaft, in unserer riesigen Stadt der vielen Städte, unserem Geflecht von Stahl und Beton, das sich wie ein Schuppenpanzer um die Haut unseres Planeten legt. Aber was ist die Absicht? Wie sieht der Plan aus? Sein Wesen entzieht sich mir; ich begreife nur, daß es ihn geben muß. Ein ermunternder Wahn.
    Fünfzig Schritte nach der Station werden wir plötzlich umzingelt von einem Dutzend oder mehr lebhaften jungen Männern, die aus einer Nebenstraße gekommen sind. Sie sind nackt bis auf grüne Lendenschurze; ihre Haare und Barte sind ungeschnitten und ungepflegt; sie haben ein wildes, barbarisches Aussehen. Mehrere tragen lange, blanke Messer am Gürtel. Sie umkreisen uns wild, lachen und tippen uns mit den Fingerspitzen an.
    »Das
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