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Steilufer

Steilufer

Titel: Steilufer
Autoren: Ella Danz
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ihre Kosten einen lauen Lenz machte oder verachteten ihn einfach nur, weil er Ausländer war. Dabei war Djaffar den Deutschen dankbar, dass sie ihn aufgenommen hatten und wollte für sie arbeiten, egal was, auch für wenig Geld. Doch die deutschen Gesetze dulden keine Ausnahmen.
    Aber dann hatte Djaffar Glück. Der Verein Asylhilfe e. V. nahm sich seiner an, unterstützte ihn beratend bei seinem Bemühen um Anerkennung als politischer Flüchtling, ließ ihn an einer Therapie gegen seine Depressionen teilnehmen und vermittelte ihm die Teilnahme an einem Deutschkurs. Durch ihren guten Draht zum Arbeitsamt erreichten die Leute vom Verein fast immer großzügige Ausnahmeregelungen vom geltenden Arbeitsverbot. So besorgten sie ihm hin und wieder den einen oder anderen Job und Djaffar, der eigentlich Lehrer war, nahm jede Arbeit begeistert an. Schließlich landete er auf der Baustelle des ›Floric‹ und lernte Anna kennen. Und seither gehörte er zum Team. Er hatte großes Glück gehabt, denn nach so kurzer Zeit ein Anrecht auf Asyl zu erhalten, war den wenigsten vergönnt.
    Verstohlen beobachtete Anna, wie Djaffar einen Tisch mit sechs älteren Damen, die ihn und die Lokalität skeptisch musterten, bei der Auswahl von Speisen und Getränken beriet und wie er mit seiner Mischung aus vornehmer Zurückhaltung und natürlicher Freundlichkeit auch hier das Eis zum Schmelzen brachte.
    »Das ist genau wie bei meinen Schulkindern früher. Du musst ihnen zeigen, dass sie dir wichtig sind, dass du nur für sie da bist – dann lieben sie dich«, war Djaffars Erklärung für seinen Erfolg bei den Gästen, als sie ihn einmal deswegen fragte.
    Anna wandte sich wieder ihrer Küchenmannschaft zu und machte sich daran, die Beurre Blanc für den pochierten Seebarsch vorzubereiten. Matthias hatte die Schalotten bereits sehr fein gehackt und auch wenn es noch lange dauern würde, bis er die Kunst der gehobenen Küche beherrschen würde, ließ Anna es sich nicht nehmen, ihren Lehrling in die Geheimnisse der Zubereitung dieser klassischen Fischsauce einzuweihen.
    »Das Geheimnis dieser Sauce, weißt du, worin das liegt?«
    Aus Matthias’ reglosem Gesichtsausdruck ließ sich weder Interesse noch das Gegenteil ablesen, doch Anna ließ sich davon nicht beirren.
    »Die richtige Temperatur, mon ami, das ist das A und O! Ist sie zu hoch, wird die Mischung flüssig, fettig, ölig – ist sie zu gering, verbinden sich die einzelnen Komponenten nicht. Die Temperatur muss stimmen – das ist die Kunst!«
    Sie erhitzte die Schalotten mit Essig und Weißwein und kochte sie so lange, bis nur eine ganz geringe Menge an Flüssigkeit zurückblieb. Nun gab sie etwas Fischsud dazu und zog dann nussgroße Stückchen eiskalter Butter darunter, heftig mit einem Schneebesen schlagend, bis eine dicke, elfenbeinfarbene Creme entstanden war.
    »Voilà, fertig! Her mit den Saucieren!«
    Schnell reichte Matthias ihr das angewärmte Geschirr, sie füllte die Portionen ein, während Jack und Kirsten die Tranchen vom Seebarsch, die sie in einer Court-Bouillon pochiert hatten, auf den bereitgestellten Tellern mit Blättchen glatter Petersilie und hauchdünnen Zitronenscheiben arrangierten. Das Zusammenspiel klappte reibungslos – sie waren eben ein gutes Team.
    Eine bunt zusammengewürfelte, junge Truppe hatte Anna um sich geschart. Aus Polen, Schottland, Algerien und Frankreich stammten die Mitglieder der Küchenmannschaft in der ›Villa Floric‹, nicht zu vergessen Johannes, der österreichische Vorspeisenspezialist und natürlich Matthias, Kirsten und Kai aus Schleswig-Holstein. Niemand war älter als 30 und alle waren höchst engagiert. Jeder ging seiner Arbeit mit Freude nach, weshalb sie auch gut besuchte Abende wie diesen relativ harmonisch und stressfrei überstanden. Selbst Matthias fügte sich in dieses perfekt funktionierende Räderwerk ein und Anna hegte die Hoffnung, dass diese Erfahrung sich auch positiv auf seine Persönlichkeitsentwicklung auswirken würde. Auch wenn der Junge es nie zugegeben hätte, es war nicht zu übersehen, dass er Jack mit einem gewissen Respekt begegnete.
    Jack, Annas Souschef und mit 30 genauso alt wie sie, war manche Umwege gegangen, bevor er diesen Beruf ergriffen hatte. Er kam aus Schottland und in seiner Jugend war die Punkszene sein Zuhause. Später schlug er sich mit Jobs durch, vom Hafenarbeiter bis zum Ringer auf Rummelplätzen, und schließlich fuhr er zur See, wo er in der Schiffsküche landete, und damit die ersten
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