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Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)

Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Steels Entscheidung: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Iain Gale
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Geschützdonner erzeugte so etwas wie den Generalbass in der Symphonie der Schlacht. Für Steel bildete das tiefe Grollen der Artillerie, das sich unter das Krachen der Musketen mischte, eine vertraute Geräuschkulisse – vielleicht so vertraut wie die Choräle Londons für das Ohr seiner opernhungrigen Frau. Sein Gehör war geschärft für die Tonfolgen der Melodie, die sich aus dem Geschützdonner ergab. Hier auf dem Schlachtfeld gab es kein Theater. Diese Männer dort drüben waren keine Schauspieler. Dennoch fragte Steel sich, wann der Vorhang sich zum nächsten Akt heben würde, quasi als Stichwort für seine Kompanie.
    Eine solche Schlacht hatte er, wenn er recht überlegte, noch nicht gesehen. Seit nunmehr fast fünfzehn Jahren hatte Steel hautnah verfolgen können, wie die Schlachten eröffnet wurden und sich auf unterschiedliche Weise entwickelten: Nicht nur hier in Flandern, auch in der Tiefebene Dänemarks bis hinunter zu den heißen, sonnengebleichten Felsen der Iberischen Halbinsel. Erst die Salven zur Eröffnung. Dann das Vorrücken und die Befehle, die von einer Linie zur nächsten hallten, bis sich blutige Schneisen in die sauber geordneten Reihen fraßen und schließlich alles in wildem Getümmel endete, ehe eine Partei in die Flucht geschlagen wurde.
    Hier jedoch bot sich ihm etwas Neues. Diese Schlacht verlief nicht nach der üblichen Dramaturgie, sondern blieb weitestgehend Stückwerk. Die Alliierten waren nach und nach eingetroffen und hatten dementsprechend versetzt in das Geschehen eingegriffen. Die Vorhut hatte sich beim Halten der Stellung am Fluss selbst übertroffen, und als Steel mit seinen Leuten vor zwei Stunden eingetroffen war, hatte das Gefecht bereits vier Stunden angedauert. Doch selbst zu diesem Zeitpunkt waren die Fronten noch nicht voll aufeinandergeprallt. Steel musste eher an zwei Hunde denken, die sich in einer Gasse abwartend umkreisten, um ihr Revier wetteiferten und zögerlich zuschnappten … sich aufeinander zubewegten, um im nächsten Augenblick wieder zurückzuweichen. Aber Steel wusste, dass es nicht Marlboroughs Absicht war, dem Gegner dieses Feld ohne einen ernsthaften Blutzoll zu überlassen.
    Cadogans Pioniere hatten den Bau der Pontonbrücken vorangetrieben, sodass die Soldaten – Reiter wie Fußtruppen – über den breiten Fluss bis kurz vor die feindlichen Stellungen gelangen konnten. Steel hegte große Bewunderung für den irischen General. Cadogan hätte Marlboroughs ranghöchster Kommandeur mit einer prestigeträchtigen Position innerhalb des Generalstabs sein können, aber sobald sich eine Schlacht abzeichnete, fand man den Grafen oft in den vordersten Reihen, als Antreiber und Vorbild für die Männer. Und seine Soldaten wussten diesen Einsatz zu schätzen.
    Steel konnte inzwischen Cadogans scharlachrot hervorstechende Bataillone sehen, britische und Hannoveraner Infanterie, die sich um das Dorf Eyne scharten – achthundert Yards weiter vorne rechts. Genau dieser Ort würde das Ziel von Steels Einheit werden. Aufgabe seiner Brigade wäre es dann, die sichtlich angeschlagenen Verbände Cadogans zu unterstützen und somit die gesamte alliierte Formation zu verstärken. Steel blickte nach rechts und sah, dass noch mehr alliierte Truppen über die Straße von Lessines heranrückten und Marlboroughs Wunsch entsprechend ihr Improvisationstalent unter Beweis stellen konnten. In Augenblicken wie diesen zeigte sich das wahre Genie des »Corporal John«, der die Soldaten durch sechs Jahre Krieg geführt hatte. Zunächst bis nach Bayern zum großartigen Sieg bei Blenheim und dann zurück nach Flandern.
    Erneut drangen Bruchstücke von Taylors Lied an Steels Ohren, und wieder war viel Wahres in den Strophen.
    »Trotz Hunger und Gefahr wird es mein Schicksal sein,
neue Arbeit zu suchen für Marlborough und mich.
Wer wird Soldat, wer wird Soldat …«
    Inzwischen hatten die anderen Kompanien des Bataillons das Lied aufgegriffen, bis der Funke übergesprungen war zu den übrigen britischen Regimentern der Brigade, die hinter den Grenadieren Aufstellung bezogen hatten und bei der Brücke warteten.
    So zog sich der Nachmittag hin. Abwechselnd hatten Furcht und Enttäuschung Steel und seine Männer und alle anderen befallen. Nach wie vor starben die Soldaten dort unten im Tal, einzeln oder in kleinen Gruppen von vier, sechs oder gar zehn Mann, wie das Schicksal die Kugeln zu lenken geruhte. Steel verfolgte das Getümmel in dem Dorf, sah die kämpfenden Männer auf den
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