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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist
Autoren: Martin Cruz Smith
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und Ketchup und tun so, als sei das >Opfer< tot. Ich will etwas Handfesteres. »
    Alle schwiegen.
    »Etwas Handfesteres?«, fragte Viktor dann. »Etwas Persönliches«, sagte Soja.
    Arkadi und Viktor sahen einander an. Das stand nicht im
    Drehbuch.
    »Eine Armbanduhr?«, schlug Arkadi vor. »Noch persönlicher.«
    »Wie zum Beispiel …?« Diese Richtung gefiel ihm nicht. Soja griff endlich nach ihrem Brandy und trank einen Schluck. »Schicken Entführer nicht manchmal einen Finger oder ein Ohr?«
    Wieder war es still in der Nische, bis Arkadi sagte: »Das gilt für Entführungen.«
    »Es würde sowieso nicht funktionieren«, räumte sie ein. »Vielleicht würde ich sein Ohr oder seinen Finger gar nicht erkennen. Die sehen bei allen ziemlich ähnlich aus. Nein, etwas Spezielleres.«
    »Woran denken Sie?«
    Sie ließ den Brandy in ihrem Glas kreisen. »Er hat eine ziemlich große Nase.«
    »Ich schneide keinem die Nase ab«, sagte Viktor.
    »Wenn er schon tot ist? Das wäre, wie wenn Sie ein Hühnchen zerlegen.«
    »Egal.«
    »Dann habe ich noch eine Idee.« Viktor hob die Hand. »Nein.«
    »Warten Sie.« Soja faltete ein Blatt Papier auseinander.
    Darauf war ein Foto von der Zeichnung eines Tigers, der ein Rudel Wölfe in die Flucht schlug. Das Foto war dunkel und bei schlechtem Licht aufgenommen, und die Zeichnung selbst war verschwommen. »Daran habe ich gedacht.«
    »Er hat ein Bild?«
    »Er hat eine Tätowierung«, sagte Arkadi.
    »Genau«, sagte Soja Filotowa zufrieden. »Ich habe die Tätowierung vor ein paar Nächten fotografiert, als er stockbetrunken war. Er hat sie selbst entworfen.«
    Ein Laken bedeckte eine Ecke der Tätowierung, aber was Arkadi sehen konnte, war beeindruckend genug. Der Tiger stand majestätisch auf den Hinterbeinen und schlug mit der Pranke in die Luft, während die Wölfe sich zähnefletschend duckten. Ein Fichtenwald und ein Bergbach umrahmten die Kampfszene. Auf dem weißen Ast einer Birke standen die Buchstaben T, W, E, R.
    »Was bedeutet das?«, fragte Viktor. »Er ist aus Twer«, sagte Soja.
    »Es gibt keine Tiger in Twer«, sagte Viktor. »Und auch keine Berge. Es ist ein plattes, hoffnungsloses Kaff an der Wolga.«
    Arkadi fand dieses Urteil ein wenig hart, aber Leute, die es schafften, aus Orten wie Twer nach Moskau zu kommen, legten ihre Heimatidentität meistens so schnell wie möglich ab. Sie trugen sie nicht für alle Zeit in die Haut eingefärbt.
    »Okay«, sagte Viktor. »Damit können wir ihn eindeutig identifizieren. Was schlagen Sie vor, wie wir Ihnen den Beweis bringen sollen? Erwarten Sie, dass wir eine Leiche durch die Gegend schleppen?«
    Soja trank ihren Brandy aus. »Ich brauche nur die Tätowierung.«
     
    Arkadi konnte Viktors Lada nicht ausstehen. Die Fenster schlossen nicht vollständig, und die hintere Stoßstange war nur festgebunden. Der Wind trieb Schnee durch Löcher im Boden blech herein und ließ den tannenduftenden Luftauffrischer am RückSpiegel schaukeln.
    »Kalt«, sagte Viktor.
    »Du hättest den Wagen warmlaufen lassen können.« Arkadi knöpfte sein Hemd auf.
    »Der wird schon warm. Nein, ich spreche von ihr. Ich hatte das Gefühl, meine Nüsse werden zu Eiszapfen und fallen nacheinander ab.«
    »Sie will einen Beweis, genau wie wir.« Arkadi zog einen Klebstreifen von seinem Bauch und löste das Mikrofon und einen winzigen Rekorder ab. Er spulte zurück, drückte die Abspieltaste, hörte sich ein kurzes Stück an, schaltete den Rekorder ab, nahm die Kassette heraus und schob sie in einen Umschlag. Darauf schrieb er: »Person: Z.K. Filotowa. Leitender Ermittler: A. K. Renko, Detektiv: V. D. Orlow.« Dazu notierte er Ort und Datum.
    »Was haben wir?«, fragte Viktor.
    »Nicht viel. Du hast das Telefon eines Kollegen abgenommen, und eine Frau hat dich gefragt, ob du ihren Mann umbringst. Sie hat angenommen, du seist Inspektor Urman. Du hast mitgespielt und ein Treffen vereinbart. Jetzt könntest du sie wegen Verschwörung verhaften, aber du hättest nichts gegen den Kollegen in der Hand, und du wüsstest nicht, wer ihr seine Telefonnummer gegeben hat. Sie redet nicht. Du könntest sie stärker unter Druck setzen, wenn sie für etwas bezahlt, das sie für einen erledigten Auftragsmord hält - dann könntest du sie wegen Mordversuchs drankriegen, und vielleicht würde sie reden. Erzähl mir von Urman. Es war sein Telefon, das du abgenommen hast?«
    »Ja. Marat Urman. Fünfunddreißig Jahre, ledig. Er war in Tschetschenien mit seinem Kumpel Isakow.
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