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Stalins Geist

Stalins Geist

Titel: Stalins Geist
Autoren: Martin Cruz Smith
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Frau als jüngere, glücklichere Menschen zeigte. Der blutbespritzte Kühlschrank brummte. Schnee grieselte über eine lose Fensterscheibe. Im Augenblick rauchte niemand, obwohl es unangenehm nach Tod stank. Nach der Kuckucksuhr war es fünf Minuten vor fünf.
    Arkadi wartete an der Tür mit Nikolai Isakow und Marat Urman. Er hatte sich schon so oft ein Bild von Isakow gemacht, dass ihm der reale Mann jetzt unerwartet klein erschien. Isakow sah nicht besonders gut aus, aber seine blauen Augen ließen auf kühles Blut in Krisensituationen schließen, und er hatte interessante Narben auf der Stirn. Seine Lederjacke war abgetragen, und seine Stimme war fast ein Flüstern. Arkadis Vater hatte immer gesagt, die Fähigkeit zum Befehlen sei angeboren: Entweder folgten einem die Männer, oder sie taten es nicht. Was immer das für eine Eigenschaft war, Isakow besaß sie. Sein Partner Urman war ein Tatar, rund und hart und mit dem breiten Lächeln eines erfolgreichen Plünderers. Eine himbeerrote Lederjacke und ein Goldzahn verrieten eine Vorliebe für das Grelle.
    »Ist anscheinend ein Fall von Klaustrophobie«, sagte Isakow. »Die Frau sagt, sie hätten das Haus nicht mehr verlassen, seit es angefangen hat zu schneien.«
    »Hat angefangen wie Flitterwochen.« Urman grinste. »Anscheinend konnten sie den Wodka schneller trinken, als sie ihn destillieren konnten«, sagte Isakow.
    »Am Ende haben sie sich um den letzten Tropfen Alkohol im Hause gestritten. Beide so betrunken, dass sie kaum noch stehen können. Er fängt an, sie zu schlagen … »
    »Und offenbar führte eins zum anderen.«
    »Sie schlägt ihm das Beil zwischen den sechsten und siebten Nackenwirbel, glatt durch das Rückenmark. Auf der Stelle tot.«
    Das Küchenbeil war mit grauem Pulver eingestäubt worden. Der geisterhafte Abdruck von Handfläche und Fingern schlang sich um den Griff.
    »Hat er einen Namen?«, fragte Arkadi.
    »Kusnezow«, sagte Isakow. Dann schlug er einen professionellen Ton an und sagte anteilnehmend: »Und du hast Stalins Geist am Hals?«
    »Leider, ja.«
    »Ein Phantom in der Metro jagen? Urman und ich befassen uns lieber mit gewöhnlichen Fällen und realen Leichen.«
    »Na, ich beneide euch.« Das war kaum die ganze Geschichte, aber Arkadi fand, dass er seine Bitterkeit ziemlich gut im Griff hatte. Er warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. Vier vor fünf. Nach seiner Armbanduhr war es fünf nach fünf.
    »Ich hatte eine Frage wegen des Phantoms, wie du es nennst. Hat einer von euch den Bahnsteig abgesucht?«
    »Nein.«
    »Wartungspforten oder Türen geöffnet?«
    »Nein.«
    »Warum habt ihr die Bahnsteigaufseherin gehen lassen?« Die Frage klang schroffer als beabsichtigt.
    »Das ist mehr als eine Frage. Weil die Aufseherin nichts gesehen hatte.« Isakow war geduldig. »Alle, die nicht verrückt waren, haben wir gehen lassen.«
    »Außer, dass sie Stalin gesehen hätten - was haben sie sonst noch gesagt oder getan, das man als verrückt bezeichnen könnte?«
    »Stalin zu sehen ist doch verrückt genug«, sagte Urman. »Habt ihr die Nummer des Wagens notiert?«
    »Die Nummer?«
    »Jeder Wagen der Metro hat eine vierstellige Nummer. Ich würde mir den Wagen gern ansehen. Habt ihr den Namen des Fahrers?«
    Isakows Antwort klang kategorisch. »Wir hatten den Auftrag, im letzten Wagen mitzufahren, ganz gleich, mit welcher Nummer, und die Augen offen zu halten. Man hat uns nicht gesagt, worauf wir in welcher Station achten sollten, und wir sollten auch nicht den Namen des Fahrers notieren. Bei der Einfahrt in Tschistyje Prudi haben wir nichts Ungewöhnliches gesehen oder gehört, bis die Leute anfingen zu schreien. Ich weiß nicht, wer damit angefangen hat. Weisungsgemäß haben wir die brauchbaren Zeugen von den restlichen getrennt und festgehalten, bis wir zu diesem Fall gerufen wurden.«
    Die Techniker verkündeten, sie seien mit der Küche fertig, und zogen ins Bad weiter, wo blanke Flächen lockten.
    Arkadi wartete, bis sie vorbeigegangen waren. »Dein Bericht ist ein bisschen skizzenhaft«, stellte er fest.
    »Der Staatsanwalt hat keinen offiziellen Bericht verlangt«, sagte Isakow. Urman war verwundert. » Wieso diese beschissenen Fragen?
    Wir stehen doch auf derselben Seite, oder?«
    Nichts verkomplizieren, ermahnte Arkadi sich. Das hier war
    nicht sein Fall. Er sollte aus der Wohnung verschwinden.
    Ein Wimmern kam aus einem anderen Zimmer. »Wer ist das?«
    »Die Frau.«
    »Sie ist hier?«
    »Im Schlafzimmer. Du kannst einen
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