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Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben

Titel: Stalingrad - Die Einsamkeit vor dem Sterben
Autoren: Christoph Fromm
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auf einen Schutthügel, die anderen folgten ihm. Er richtete Musks Feldstecher auf die Rauchwolke, die eine Querstraße weiter zwischen den Mauerlöchern aufstieg. Im Schein der Flammen sah er russische Soldaten. Sie trieben abenteuerlich kostümierte Männer aus den Kellern.
    »Wir werden keine Skier bekommen«, sagte Hans langsam.
    »Wieso?«
    Hans reichte Rollo den Feldstecher. Der stierte hindurch, sah, wie Petroff vor das Haus gestoßen w urde. Aus den umliegenden Kanalschächten tauchten weitere russische Soldaten auf, die Gefangene vor sich hertrieben. Petroff redete auf einen Offizier ein. Er zerrte mit beiden Händen Schmuck aus den Taschen, bot ihn dem Offizier an. Die beiden schienen sich zu kennen.
    Der Offizier lachte, schob den Schmuck ein, schüttelte Petroff die Hand und tätschelte beruhigend dessen Kopf. Dann versetzte er ihm einen Faustschlag, und Petroff taumelte auf einen Soldaten zu, der ihn mit einem Fußtritt weiterreichte.
    Rollo reichte Fritz das Fernglas, doch der schüttelte den Kopf.
    Sie kletterten wieder nach unten. Von dort, wo Petroff und seine Leute sich befanden, gab es mehrere Feuerstöße. Sie stiegen in den Lkw und fuhren zurück. Niemand hielt sie auf. Es wäre ihnen auch
    gleichgültig gewesen.

 
     
     
     
     
     
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    S ie saßen wieder in ihrem Keller. Die Gesichter rußgeschwärzt, kauerten sie rund um den improvisierten Ofen, in dem Gross Stücke von Autoreifen verbrannte. An den Wänden aufgestapelt die Kisten mit Lebensmitteln, die sie gegen die Freiheit hatten tauschen wollen. Die Wertsachen, die sie dem Oberstleutnant und dem Pfarrer abgenommen hatten, hatte Hans in einen Karton gelegt, der nun vor seinen Füßen stand. Er hatte nicht wirklich an diesen Ausbruch geglaubt. Aber nun, da er endgültig gescheitert war, war ihm trotzdem, als würde er unaufhörlich in ein schwarzes Loch zurückgleiten.
    Den anderen ging es ebenso, jede m auf seine Art. Fritz aß unentwegt. Rollo hatte eine der vielen Kisten Kognak neben sich gestellt und schüttete eine der Flaschen in sich hinein. Gross hatte sich neben das Lager von Musk gesetzt; groteskerweise bot er das Bild eines treuen Wachhunds, der auf den Tod seines Herrn wartet, um ihm nachfolgen zu können. Der Arzt lag erschöpft und von kaltem Schweiß bedeckt auf einigen Kisten, gelegentlich schüttelten ihn Krämpfe. Die Russin kauerte mit angezogenen Knien, um die sie die Arme geschlungen hatte, auf einigen Decken. Früher oder später würden die Männer wieder über sie herfallen. Sie versuchte, nicht daran zu denken.
    Eine Granate schlug über ihnen ein. Der Boden bebte, Putz rieselte von der Decke. Etwas davon fiel in Fritz’ Konservenbüchse. Er fischte den Dreck heraus, aß kommentarlos weiter. Als die Dose leer war, kratzte er sie sorgfältig mit seinem Löffel aus.
    Das Geräusch bohrte sich in Hans’ Kopf. Es fühlte sich an, als würde ihm jemand den Schädel auskratzen. Er wollte die Augen schließen, aber das durfte er nicht, weil es ihn unweigerlich wieder dorthin bringen würde, wo er hergekommen war. Vielleicht noch weiter. Vielleicht würde er aufspringen und wild um sich schießen. Das durfte nicht geschehen.
    Fritz griff sich die nächste Konserve. Er schien entschlossen, sich zu Tode zu fressen. Sein ausdrucksloser Blick streifte die Schmucksachen. Mit einem raschen Griff krallte sich seine Hand in den Karton, hob ihn hoch und schleuderte ihn mit einem Schrei ins Feuer. Ringe flogen durch die Gegend.
    Fritz sank wieder in sich zusammen, öffnete die nächste Büchse, aß weiter. Löffel für Löffel. Flam men loderten hoch und beleuchteten ihre reglosen Gesichter.
    Auf einmal tätschelte Rollo schwerfällig Fritz’ Schulter. »Lass doch die schönen Sachen, Dicker.« Er begann herumzukriechen und die Ringe vom Boden aufzu klauben. »Fangeisen. Alles Sklavenorden.« Nach einigen vergeblichen Versuchen gelang es ihm, einen der Ringe über den Finger zu streifen. »Was meint ihr, wie viel Liebe an so ’nem Ring hängt. Das kannste nicht in Kilo und Pfund ausdrücken.« Er schob sich wahllos weitere Ringe über die Finger. »Drei Kilo Tapferkeit. Was, Herr Hauptmann?«
    Auf den Knien streckte er seine Hände zu Musks Lager aus. Von dort erhielt er keine Antwort. Er kroch zu der Russin und begann ihr den Schmuck über den gesenkten Kopf zu werfen.
    »Lass sie doch in Ruhe, bitte!«, sagte Hans.
    Rollo drehte sich zu ihm um , mit einer ausladenden Armbewegung, die ihn aus dem Gleichgewicht
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