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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen
Autoren: Armistead Maupin
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Gesicht wie faserige Rauchstreifen.
    Sie kräuselte die Lippen und musterte den Bildschirm. Ein Mann in Unterwäsche lief durch einen Wald von aufgespannten Regenschirmen. »Wie passend«, sagte sie.
    »Ja, wirklich«, gab er zurück.
    »Ich suche Mary Ann«, sagte die Vermieterin.
    Es war eine simple Feststellung, doch er fühlte sich nun noch mehr als Außenseiter. »Da werden Sie sich hinter mir anstellen müssen«, sagte er und wandte sich wieder dem Fernseher zu.
    Mrs. Madrigal schwieg.
    Seine kleinliche Reaktion tat ihm augenblicklich leid. »Sie hat eine ganz heiße Verabredung mit der Queen«, fügte er hinzu.
    »Oh … schon wieder, hm?«
    »Ja.«
    Sie schwebte durch den Raum und setzt sich zu ihm auf das Sofa. »Sollten wir nicht auf ihren Kanal umschalten?« Ihre große Wedgwood-Augen verziehen ihm seine Gereiztheit.
    Er schüttelte den Kopf. »Es sind noch fünf Minuten bis zur Sendung.«
    »Ah.« Ihr Blick schweifte aus dem Fenster und verharrte schließlich auf dem blinkenden Leuchtfeuer von Alcatraz. Das hatte er schon oft an ihr beobachtet. Als wäre dort ein Bezugspunkt für sie; so etwas wie die Quelle ihrer Energie. Sie sah ihn wieder an und rüttelte spielerisch an seinem Knie. »Schon schlimm, nicht?«
    »Was?«
    »Ein Medienwitwer zu sein.«
    Er rang sich ein Lächeln ab. »Das ist es nicht. Ich bin stolz auf sie.«
    »Natürlich.«
    »Ich hatte mich nur … darauf verlassen, daß ich sie heute abend für mich habe. Das ist alles.«
    »Ich kenne das Gefühl«, sagte sie.
    Dieses Mal war er es, der aus dem Fenster sah. Auf dem Flachdach eines Nachbarhauses hatte sich eine Regenpfütze gebildet, deren Oberfläche jetzt von den Einschlägen eines weiteren Prasselregens aufgewühlt wurde. Es war noch nicht Nacht, aber es war dunkel geworden. »Haben Sie einen Joint?« fragte er.
    Sie legte den Kopf zur Seite und sah ihn spöttisch an, als wollte sie sagen: »Dumme Frage.« Sie tastete im Ärmel ihres Kimonos herum, bis sie das vertraute Kästchen aus Schildplatt zutage förderte. Er nahm sich einen Joint heraus, zündete ihn an und hielt ihn ihr hin. Sie schüttelte den Kopf und sagte: »Mach schon.«
    Das tat er und schwieg fast eine Minute, während Michael Jackson in Trippelschritten durch eine Kulissenstraße tänzelte und lauthals protestierte: »Das Kind ist nicht mein Sohn.« Brian fand, daß man ihm das ohne weiteres glauben konnte.
    »Es ist bloß«, sagte er schließlich, »daß ich was mit ihr besprechen wollte.«
    »Ah.«
    »Ich wollte mit ihr in Gandhi und sie vorher im Ciao zum Essen einladen und noch mal über Thema eins reden.«
    Da sie nichts sagte, warf er ihr einen Seitenblick zu, um zu sehen, ob sie wußte, was er meinte. So war es. Sie wußte es, und sie war davon sichtlich angetan. Gleich fühlte er sich wesentlich besser. Immerhin würde er Mrs. Madrigal stets auf seiner Seite haben.
    »Das kannst du ja immer noch«, meinte sie schließlich.
    »Ich weiß nicht …«
    »Was ist?«
    »Ich meine … es macht mir eine Heidenangst. Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist, wenn ich ihr noch mal Gelegenheit gebe, nein zu sagen. Diesmal … könnte es so rauskommen, als ob sie’s auch meint.«
    »Aber wenn du nicht wenigstens mit ihr redest …«
    »Schauen Sie, was soll das nützen? Wann hätte sie denn mal Zeit dazu, um Himmels willen? Heute abend ist ja wieder so typisch. Unser Privatleben muß zurückstehen hinter jeder blödsinnigen kleinen Nachrichtenstory, die sich ergibt.«
    Die Vermieterin lächelte milde. »Ich weiß nicht, ob Ihrer Majestät diese Beschreibung ihres Aufenthalts gefallen würde.«
    »Na schön. Für heute abend gilt es vielleicht nicht. Das mit der Queen ist einzusehen …«
    »Würde ich doch meinen.«
    »Aber von der Sorte hat sie sich diesen Monat schon ein halbes Dutzend geleistet. So wie heute ist es ständig. «
    »Na ja, ihre Karriere ist eben sehr …«
    »Nehme ich etwa keine Rücksicht auf ihre Karriere? Tu ich das vielleicht nicht? Sie kann ja ihre Karriere haben, und das Baby könnte meine sein. Ich finde, das kann man doch verstehen!«
    Er war offenbar heftiger geworden, als er beabsichtigt hatte. Ihr besänftigender Blick schien zu sagen, daß er sich beruhigen solle. »Mein Lieber«, sagte sie leise, »ich bin die letzte, die du überzeugen mußt.«
    »Entschuldigung«, sagte er. »Ich sollte nicht an Ihnen üben.«
    »Schon gut.«
    »Es ist nicht so, als könnten wir uns noch viel Zeit lassen. Sie ist zweiunddreißig, und ich bin
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