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Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen

Titel: Stadtgeschichten - 04 - Tollivers Reisen
Autoren: Armistead Maupin
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natürlich.«
    »Er muß arbeiten«, sagte Mary Ann, »aber ich würde liebend gern kommen.«
    »Gut.«
    »DeDe, sind noch andere Reporter da? Siehst du jemand vom Fernsehen?«
    »Nö. Halt dich ran, und du hast sie ganz für dich.«
    Mary Ann stieß einen Freudenschrei aus. »Du bist ein Engel, DeDe! Ich komme, sobald ich ein Taxi erwische!«
    Sie drückte die Gabel nieder, rief im Sender an und alarmierte den Leiter der Nachrichtenredaktion. Er war begreiflicherweise skeptisch, versicherte ihr aber, er werde sofort ein Team losschicken. Dann rief sie ein Taxi, schminkte sich, zog ihre Schuhe wieder an und kritzelte hastig einen Zettel für Brian.
    Sie eilte bereits durch den dichtbelaubten Canyon der Barbary Lane, als ihr einfiel, was sie vergessen hatte. »Scheiße«, murmelte sie, machte nach kurzem Zögern kehrt und rannte zurück, um ihren Hut zu holen.
     
    Als sie am Cosmo Place aus dem Taxi stieg, staunte sie wieder einmal über die mystische Aura, die das Trader Vic’s umgab. Strenggenommen war das ach-so-fashionable polynesische Restaurant nur eine Baracke in einer Seitengasse am Rand des Rotlichtviertels. Doch Leute, die sich im verkitschten Tonga Room auf dem Nob Hill nie hätten erwischen lassen, würden ihre Großmutter umbringen, um sich im Trader Vic’s im gleichen Dekor sonnen zu können.
    Der Empfangschef gab sich an diesem Abend besonders streng, doch sie besänftigte ihn mit den magischen Worten – »Mrs. Halcyon erwartet mich« – und bahnte sich einen Weg zu den Nischen neben der Bar, dem Allerheiligsten, genannt Captain’s Cabin. DeDe gab ihr ein verstohlenes elisabethanisches Winkzeichen.
    Forsch ging Mary Ann zum Tisch und glitt auf den Polsterstuhl, den sie ihr freigehalten hatten. »Ich hoffe, ihr habt nicht gewartet und schon bestellt«, sagte sie.
    »Nur Drinks«, antwortete DeDe. »Der reinste Zoo hier, nicht?«
    Mary Ann schaute zu den Nachbartischen hinüber. »Äh … wer ist denn da?«
    »Alle«, meinte DeDe schulterzuckend. »Stimmt doch, Mutter?«
    Mrs. Halcyon hörte den anzüglichen Unterton heraus und entschied sich dafür, die Bemerkung ihrer Tochter zu übergehen. »Ich freue mich sehr, daß Sie kommen konnten, Mary Ann. D’orothea kennen Sie ja schon … und die Kinder. Edgar, bohr nicht in der Nase, Schatz. Gangie hat es dir schon tausendmal gesagt.«
    Der Sechsjährige zog einen Flunsch. Seine zarten eurasischen Züge standen, wie die seiner Zwillingsschwester, ganz in Einklang mit der exotischen Ausstattung des Raums. »Warum können wir nicht ins Chuck E. Cheese?« fragte er.
    »Weil die Königin im Chuck E. Cheese nicht speist«, erklärte ihm seine Großmutter mit liebenswürdiger Geduld.
    D’orothea verdrehte dezent die Augen. »Eigentlich war’s ihre erste Wahl, aber die haben von einer Reservierung für sechzig Leute nichts wissen wollen.«
    Mary Ann entfuhr ein Kichern, das sie rasch wieder abwürgte, als sie Mrs. Halcyons Gesichtsausdruck sah. »Ich würde meinen«, sagte die Matriarchin mit einem strafenden Seitenblick auf die Liebhaberin ihrer Tochter, »daß ein wenig Takt uns allen gut anstehen würde.«
    D’orothea senkte bußfertig den Blick, doch ihre Mundwinkel kräuselten sich verächtlich. Sie rückte eine Gabel gerade und wartete darauf, daß der Augenblick vorüberging.
    »Also«, sagte Mary Ann etwas zu munter, »wann wird sie denn erwartet?«
    »Jeden Moment«, erwiderte DeDe. »Sie setzen sie in den Trafalgar Room. Der ist im Obergeschoß und hat einen separaten Eingang, also wird man sie wahrscheinlich durch die Hintertür reinlotsen und …«
    »Ich muß pissen«, sagte Klein Anna und zupfte DeDe am Ärmel.
    »Anna, hab ich dir nicht zu Hause gesagt, du sollst das machen, eh wir gehen?«
    »Und« ,fügte Mrs. Halcyon mit ehrlich entsetzter Miene hinzu, »kleine Mädchen sagen solche Wörter nicht.«
    Anna sah verwundert drein. »Was für Wörter?«
    »Pissen«, sagte ihr Bruder.
    »Edgar!« Die Matriarchin sah ihren Enkel entgeistert an. Dann fuhr sie herum und wandte sich gebieterisch an ihre Tochter. »Herrgott, DeDe … sag es ihnen. Das ist nicht meine Aufgabe.«
    »Ach, Mutter, das ist wohl kaum …«
    »Sag es ihnen.«
    »Die Franzosen sagen auch pissen«, warf D’orothea ein. »Was ist mit Pissoir?«
    »D’or.« DeDe wies den Beitrag ihrer Geliebten mit einem eisigen Blick zurück, ehe sie sich ihre Kinder vornahm. »Hört mal, ihr zwei … ich dachte, wir hätten uns auf pinkeln geeinigt.«
    »O Gott«, stöhnte die
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