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Stadt unter dem Eis

Titel: Stadt unter dem Eis
Autoren: Thomas Greanias
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eine Aufmerksamkeit für den willigen Wahlkämpfer.
    »Dann hat Ihre Firma also auch die Militärbaracken hier auf Posten 13 gar nicht gebaut. Es heißt, hier wurden Opfer der Menschenrechtsverletzungen verhört«, fuhr sie fort und sah dabei den indonesischen Oberst an. »Haben Sie etwa nicht die Maschinen geliefert, mit denen das Militär am Sentang-Berg und am Tengkorak-Berg die Massengräber für die Opfer ausgehoben hat?«
    Mr. Hackett sah sie an, als wäre ihre Anwesenheit das Problem und nicht etwa das ausgelaufene Öl. »Was wollen Sie eigentlich, Schwester Serghetti?«
    Der indonesische Oberst antwortete an ihrer Stelle. »Sie will gegen Exxon Mobil und PT Arun dasselbe durchsetzen wie gegen das Denok-Kaffeekartell in Osttimor.«
    »Sie meinen, die Macht des Kartells brechen, das vom indonesischen Militär kontrolliert wird, um die Leute ihre Waren zu Marktpreisen verkaufen zu lassen?«, sagte Serena. »Eigentlich keine schlechte Idee.«
    Hackett schien jetzt endgültig der Kragen zu platzen. »Wenn die Leute in Osttimor Sklaven für Starbucks sein wollen, dann ist das deren Problem, Schwester. Sie haben das Militär aus dem Kaffeegeschäft gedrängt, dann erst hat es sich für meine Firma interessiert.«
    »Ganz was anderes, Schwester Serghetti«, sagte der Oberst und gab ihr ein Blatt Papier. Es war ein Fax. »Reisen Sie ab!«
    Sie sah sich das Fax zweimal an. Es war von Bischof Carlos in Jakarta, dem Träger des Friedensnobelpreises von 1996. Er teilte ihr darin mit, dass sie dringend in Rom gebraucht werde. »Der Papst will mich sehen?«
    »Der Papst, der Pontifex, der Heilige Stuhl, wie auch immer Sie ihn nennen wollen«, sagte Mr. Hackett. »Ich persönlich bin Baptist. Seien Sie froh, dass Sie hier ungeschoren wegkommen.«
    Sie wandte sich gerade rechtzeitig ihrem Hubschrauber zu, um zu sehen, wie mehrere Soldaten die abmontierten Kameras wegtrugen.
    »Und die Leute aus Aceh?«, hielt sie Mr. Hackett vor, während der Oberst sie zu seinem Jeep schob. Offensichtlich sollte ihr Hubschrauber doch gänzlich beschlagnahmt werden. »Sie können nicht einfach so tun, als wäre nichts passiert.«
    »Mal sehen, was ich kann oder nicht kann, Schwester«, sagte Mr. Hackett und winkte ihr mit einem süffisanten Lächeln zu. »Was nicht in den Zeitungen steht, passiert nun einmal auch nicht.«
    ***
    Vierundzwanzig Stunden später lehnte sich Serena im Fond einer schwarzen Limousine ohne Kennzeichen zurück. Der gute alte Benito lenkte den Wagen durch die aufgebrachten Demonstranten und die Kamera-Teams auf dem Petersplatz. Kaum zu glauben, dass wegen ihrer derart viel Aufhebens gemacht wurde. Aber die Demonstration wurde tatsächlich ihrethalben veranstaltet.
    Obwohl sie erst 27 Jahre alt war, hatte sie sich bereits jede Menge Feinde in der Petroleum-, der Holz- und der Pharmaindustrie gemacht, bei all jenen, die Profit über Menschen, Tiere oder Umwelt stellten. Allerdings hatte ihr Engagement auch ein paar Leute, denen sie zu helfen gehofft hatte, arbeitslos gemacht. Na ja, der wütenden Menge dort nach zu urteilen, waren es vielleicht sogar mehr als nur ein paar.
    In ihrem Stadtoutfit, einem Armani-Anzug – ihre Lieblingsmarke – und dazu lässige Chucks, sah sie nicht unbedingt wie eine einstige Karmeliterin aus. Aber genau das war auch beabsichtigt. Als ›Mutter Erde‹ machte sie Schlagzeilen, und mit dem Medieninteresse kam der Einfluss. Wie sonst sollten die Medien, die sich mehr für Äußerlichkeiten als für Inhalte interessierten, die Weltöffentlichkeit und schließlich Rom sie überhaupt ernst nehmen?
    Mit Gott verhielt es sich da anders. Sie war sich nicht sicher, was Er von ihr hielt, und eigentlich wollte sie das auch nicht so genau wissen.
    Serena blickte durch das regenverschmierte Fenster. Die Sicherheitskräfte des Vatikans drängten die Menge und die Paparazzi zurück. Dann, wie aus dem Nichts ein lautes Krachen, das sie zusammenzucken ließ. Einem der Demonstranten war es gelungen, sein Transparent auf die Scheibe zu schlagen: M UTTER E RDE , SUCHEN S IE SICH EINEN ANDEREN P LANETEN !
    »Die haben Sie vermisst, Signorina«, sagte der Fahrer in seinem besten Englisch.
    »Die meinen es doch nur gut, Benito.«
    Sie blickte voller Mitgefühl auf die Menschenmenge hinaus. Sie hätte Benito auf Italienisch, Französisch, Deutsch oder in einem Dutzend anderer Sprachen ansprechen können, aber sie wusste, dass Benito sein Englisch verbessern wollte.
    »Sie haben Angst. Sie müssen ihre Familien
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