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Stadt der Lüste

Stadt der Lüste

Titel: Stadt der Lüste
Autoren: Mariah Greene
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davon bitte nicht abschrecken«, sagte Catherine lächelnd.
    »Du siehst großartig aus«, sagte Emma und meinte es auch so. Mit sechsunddreißig war Catherine vier Jahre älter als Emma, doch sie entwickelte eine Reife, die ihre Schönheit nur noch unterstrich. Ihre langen Locken fielen ihr bis über die Schultern und umrahmten ihr Gesicht, das auf klassische Art schön war und Emma an Schwarzweißfotografien von Hollywoodstars aus den 1930er und 1940er Jahren erinnerte.
    Emma und Catherine waren in den letzten zehn Jahren mal mehr, mal weniger in Kontakt geblieben. Sie hatten sich auf der Hochzeit einer entfernten Cousine Emmas mit einem Freund von Catherines Mann, Victor Lomax, getroffen. Sie waren sofort miteinander ins Gespräch gekommen und hatten einander versprochen, die Verbindung nicht abreißen zu lassen. Zu ihrer beider Überraschung gelang ihnen dies auch. Sie schrieben einander ein oder zwei Briefe im Jahr, telefonierten ab und zu und trafen sich gelegentlich. Emma war fasziniert von den Kreisen, in denen Catherine und Victor verkehrten, von der leicht blasierten Eleganz ihres Lebensstils und der Ungezwungenheit, mit der sie sich auslebten. Es war eine wundervolle, unverbindliche Freundschaft, wenn auch über eine große Distanz hinweg.
    Vor sechs Jahren hatte Catherine Emma angerufen und ihr mitgeteilt, dass Victor mit dem Sportflugzeug, mit dem er so gern flog, im Süden Englands in den Tod gestürzt war. In den folgenden beiden Jahren schlief der Kontakt zwischen ihnen ein wenig ein. Emma spürte, dass Catherine Raum und Zeit benötigte, um den Schicksalsschlag zu verkraften. Sie selbsthätte wahrscheinlich genauso reagiert. Emma drängte sich Catherine nicht auf, signalisierte aber, dass sie ihr jederzeit behilflich sein würde. Die verschiedenen Firmen, die Victor Lomax gehört hatten, wurden abgewickelt, wobei sich die maroden und gesunden Unternehmen bei der Gewinn- und Verlustrechnung fast die Waage hielten. Catherine behielt lediglich die erste Firma ihres Mannes, die Lomax-Immobilienagentur. Die Agentur vermittelte Wohnungen und Häuser in der Londoner Innenstadt an einen elitären Kundenstamm und erwirtschaftete genug Geld, um das kleine Vermögen zu vergrößern, das von Victors ehemaligem Besitz übrig geblieben war.
    Emma gewann mit der Zeit den Eindruck, dass Catherine und sie einander an einem Wendepunkt in ihrer beider Leben begegnet waren – die eine bewegte sich auf der gesellschaftlichen Leiter nach unten, die andere nach oben. Emma hatte eine erfolgreiche Karriere begonnen und sich Catherine dabei zum Vorbild genommen. Doch nach Victors Tod strauchelte Catherine. Sie war zwar weit davon entfernt, arm zu sein, aber ohne ihren Mann veränderte sich ihr Leben erheblich. Mit dem Verkauf der Firmen versuchte sie offenbar, die Geister der Vergangenheit loszuwerden. Emma und Catherine entwickelten sich in verschiedene Richtungen, und bis auf ihren Willen, in Kontakt zu bleiben, verband sie im Grunde nichts mehr.
    Die Idee, dass Emma stille Teilhaberin der Agentur werden und dieser mit einer kleinen Finanzspritze unter die Arme greifen könnte, war den beiden Frauen während eines Telefonats gekommen. Sie konntensich nicht einmal mehr daran erinnern, wer sie zuerst gehabt hatte. Der Gedanke spukte noch tagelang in Emmas Kopf herum, und sie spielte im Geiste alle möglichen Szenarien durch. Ein weiteres Telefonat folgte, und plötzlich besprachen sie bereits Details, beide Feuer und Flamme. Am Ende machte Catherine einen überraschenden Vorschlag: Wenn Emma wirklich ihr Leben als Investmentbankerin aufgeben wollte, könnte sie doch zuerst einmal bei Lomax hineinschnuppern, bevor sie ihr Geld in die Agentur steckte. Emma dachte darüber nach und stimmte schließlich unter einer Bedingung zu. »Ich mache es. Aber es muss unser Geheimnis bleiben.« Während der Zeit bei Morse Callahan war sie an zahlreichen Übernahmen beteiligt gewesen, doch sie hatte nie die Möglichkeit gehabt, eine Firma von innen heraus kennenzulernen.
    »Hast du dich gut eingelebt?«, erkundigte sich Catherine nun. »Ich hätte dich ja persönlich begrüßt, aber ich dachte, vielleicht sollte ich dich am Anfang besser in Ruhe lassen.«
    »Ich bin noch nicht lange genug hier, um mich wirklich eingelebt zu haben«, erwiderte Emma. »Anfangs kam ich mir vor wie in einem Agentenfilm – der Umschlag mit den Wohnungsschlüsseln, das Dossier über die Agentur … Eigentlich fehlte nur noch die Videokassette, die sich nach dem
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