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St. Leger 01 - Der Fluch Der Feuerfrau

St. Leger 01 - Der Fluch Der Feuerfrau

Titel: St. Leger 01 - Der Fluch Der Feuerfrau
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gerieten, und als alter Mann zufrieden zu sterben - und nicht wie sein Vater verbittert und gebrochen. Unerfüllbare Wünsche, wenn man St. Leger hieß. Anatoles Muskeln spannten sich an, und seine Sinne erfuhren eine schärfere Wahrnehmung: Fitzleger war eingetroffen. Andere hätten vielleicht geglaubt, der Burgherr besitze ein ausgezeichnetes Gehör, aber St. Leger wusste es leider besser.
    Er spürte, wie der Brautsucher durch den Kreuzgang schlurfte, der den neuen Teil der Burg mit dem alten verband. Anatole wandte sich vom Fenster ab und der schweren Tür zu.
    Wieder durchfuhr ihn ein stechender Schmerz, und im selben Moment flog die Tür auf. Normalerweise behielt St. Leger diese Gabe lieber für sich, aber der alte Mann, der jetzt im Türrahmen stand, war mit den Geheimnissen der Familie St. Leger viel zu vertraut, um sich über Trivialitäten wie eine Tür zu erschrecken, die sich wie von selbst auftat.
    Der Reverend trug einen langen braunen Umhang mit Kapuze und trat jetzt in die große Halle. Die Kleidung ließ ihn wie einen finsteren Mönch erscheinen, doch als er die Kapuze zurückwarf, verflüchtigte sich dieser Eindruck sofort. Fitzlegers Haar war in der Mitte nur noch sehr spärlich, verdichtete sich aber an den Seiten zu zwei weißen Schwingen. In Kontrast dazu standen die von der kalten Winterluft geröteten Wangen. Die sanften Gesichtszüge verrieten die Geduld dieses Mannes, und die hellblauen Augen kündeten davon, dass ihm zwar alle Übel dieser Welt nahe gingen, er aber dennoch nie die Hoffnung verlor, dass sich doch noch alles zum Guten wenden würde. »Guten Abend, Reverend«, grüßte Anatole. Fitzleger verbeugte sich. »Euch ebenso, Mylord.« Wie die meisten im Dorf erwies er dem Burgherrn immer noch die Höflichkeit, ihn mit seinem alten Titel anzureden, obwohl die Familie ihn schon vor Generationen verloren hatte. Anatole bat den Gast, der sichtlich fror, ans Feuer. Der Alte streckte die zierlichen und von blauen Venen durchzogenen Hände über die Flammen und seufzte: »Ah, so ist es schon viel besser. Draußen ist es bitterkalt.« Er reichte St. Leger den Mantel, und Anatole bemerkte, dass der Kirchenmann für diesen Besuch seine beste Wolljacke, Weste, Kniebundhose und eine weiße Krawatte angelegt hatte.
    Der Anblick des Mannes machte es dem Burgherrn bewusst, wie wenig attraktiv sein eigenes Äußeres war. Er hätte dem alten Mann etwas mehr Respekt erweisen sollen, der früher sein Lehrer und Beschützer gewesen war und unter anderen Umständen wohl auch sein Freund geworden wäre.
    Doch wer möchte schon mit einem gefallenen Engel Freundschaft schließen?
    Anatole rollte die aufgekrempelten Ärmel wieder nach unten und schob dem Gast einen Sessel ans Feuer. Wie sooft verwunderte es ihn auch heute, dass dieser zerbrechliche alte Mann und er entfernt miteinander verwandt waren. Wie konnten der Auswurf der Hölle und der Herold der Engel in einer Blutsbeziehung zueinander stehen? Äußerlich hatten sie nichts gemein, wenn man von der berühmten St.-Leger-Nase absah. Und dennoch teilten sie sich einen gemeinsamen Vorfahren: den bösen Lord Prospero St. Leger, der seinen Samen ebenso fröhlich wie wahllos über die ganze Gegend verbreitet hatte. Aus einer dieser schlechten Früchte seiner Lenden war eine Bastard-Linie der Familie entstanden, die sich schließlich den Namen Fitzleger zugelegt hatte, was so viel wie Sohn des Leger bedeutete. Zweifelsohne hätte sich der alte Teufel Prospero königlich darüber amüsiert, dass sich aus den Nachkommen eines seiner unehelichen Kinder einmal eine allseits respektierte Familie von Pastoren entwickeln sollte.
    Doch Prospero hatte sich an allem Möglichen erheitert, dachte Anatole, während er einen angewiderten Blick auf das Porträt des Mannes warf, welches das eine Ende der Halle dominierte. Dort war sein Ahn als stolzer Ritter in prächtigem Hemd und Umhang zu erkennen. Die dunklen Augen blitzten belustigt, und die halb vom Bart verborgenen, vollen Lippen waren zu einem höhnischen Grinsen verzogen.
    Der verfluchte Mann hatte stets einen Grund zum Lachen gefunden. Angeblich soll er auch auf dem Weg zum Scheiterhaufen gegrinst haben, wo man ihn wegen Hexerei verbrennen wollte ...
    Der Burgherr wandte den Blick von dem Gemälde ab und wurde sich der unangenehmen Stille bewusst, die sich zwischen ihn und den Reverend geschoben hatte. Obwohl er sich dem Alten nicht allzu nahe fühlte, hatte er früher nie Schwierigkeiten gehabt, mit ihm ein
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