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Splitterseelen

Splitterseelen

Titel: Splitterseelen
Autoren: Sandra Busch , Sandra Gernt
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waren, um ihn aufzunehmen, und die Geschwister seiner Eltern und sonstige Verwandte nicht dazu bereit waren, hatte man ihn in einer Pflegefamilie untergebracht. Die Berlingtons waren ein Glücksfall für Jason: Ein freundliches älteres Ehepaar, das gar nicht erst versuchte, seine Eltern zu ersetzen, aber alles gab, um ihm ein Zuhause zu schenken. Bei ihnen hatte er Ruhe gefunden und ein normales Leben führen können.
    Mittlerweile studierte Jason Anglistik an einer kleinen Universität. In der Woche wohnte er in einer winzigen Studentenbude, an den Wochenenden fuhr er oft zu seinen Pflegeeltern.
    Calael hatte er in den vergangenen Jahren mehrmals wiedergesehen, immer im Zusammenhang mit Todesangst und Lebensgefahr. Einmal stand er am Straßenrand, als Jasons Schulbus mit einem Transporter zusammenstieß. Es war nichts geschehen, abgesehen von zerbeultem Blech und großem Schrecken, doch es hätte schlimmer kommen können.
    Als ihm in einer Notoperation der Blinddarm entfernt worden war, hatte er ihn im Aufwachraum bemerkt, einen winzigen Moment lang nur. Und vor zwei Jahren hatte ihn ein Hund auf offener Straße attackiert. Der Besitzer hatte das Tier sofort unter Kontrolle gehabt, Jason war mit einer leichten Bisswunde am Unterarm davon gekommen. Ob es wirklich Calael gewesen sein mochte, der am Fenster eines der Häuser gestanden hatte, wusste er nicht. Genauso wenig wie er wusste, ob er ihn beschützte oder darauf wartete, dass er endlich starb …
    Er wollte fest an ersteres glauben.
    Seufzend raffte sich Jason auf, er musste jetzt schleunigst duschen und zur Uni fahren. Morgen war sein einundzwanzigster Geburtstag. Seine Freunde wollten mit ihm reinfeiern, seine Pflegeeltern warteten darauf, dass er spätestens zum Mittagessen bei ihnen sein würde. Dementsprechend gab es heute noch viel zu erledigen.
    Als Jason geduscht, rasiert und angezogen war, hatte er den Terror des nächtlichen Alptraumes abgeschüttelt. Pfeifend sammelte er seine Unterlagen für die Vorlesungen zusammen, während er Kaffee schlürfte.
    „Wirst du jetzt mal langsam fertig, mein Hübscher?“
    Jason fuhr beim Klang der fremden Stimme herum. Ein Mann lag lässig ausgestreckt auf Jasons Bett.
    „Wer …?“ Jason fiel die Kaffeetasse aus den Händen, als er in Abwehrhaltung ging; er merkte es kaum.
    Der Fremde erhob sich mit eleganten, kraftvollen Bewegungen. Er war ungefähr Mitte Zwanzig, ein athletischer, hochgewachsener Typ mit kurzem dunklen Haar und einem markant geschnittenem schmalen Gesicht. Seine schwarzen Augen musterten Jason mit arroganter Härte.
    „Ein Jammer“, murmelte er. „Du bist gut trainiert, du hättest einen hervorragenden Dämon abgegeben.“
    „Hä?“ Jason merkte selbst, dass er gerade nicht sonderlich geistreich war. Allerdings war es ihm auch schleierhaft, wie er ein Wortkünstler sein sollte, wenn ein fremder Mann in seinem Bett lag und irgendetwas von Dämonen faselte.
    „Ich habe dir ein Kompliment zu deiner guten Figur gemacht. Du könntest dich einfach dafür bedanken.“
    „Wer sind Sie und wie kommen Sie hier überhaupt herein?“ Jason gab seine Abwehrhaltung lieber nicht auf. Vielleicht war der Typ ein Junkie, der bei ihm eingebrochen war und ihn ausrauben wollte.
    Wie damals, als die maskierten Männer meine Eltern umbrachten, fuhr es Jason durch den Kopf. Mit dem feinen Unterschied, dass dieser Kerl nicht maskiert war und auch keine Handschuhe trug. Dabei wusste doch jeder Depp, dass man Fingerabdrücke hinterließ.
    „Namen …“ Der Einbrecher schaute theatralisch zur Decke empor. „Menschen brauchen immer Namen.“
    „Was soll das heißen – Menschen?“, fragte Jason irritiert.
    „Bist du etwa kein Mensch?“, erkundigte sich der Fremde im gelangweilten Ton und nahm ein Foto seiner Pflegeeltern von dem Sideboard, um es zu betrachten.
    „Natürlich bin ich ein Mensch. Was soll die blöde Frage?“
    Sein Gegenüber antwortete nicht, sondern stellte lediglich das Foto ordentlich zurück. Er trug eine schwarze Lederjacke mit etlichen Schnallen und Nieten, dazu eine ebenfalls lederne Hose mit seitlicher Schnürung und derbe Boots. Von der Optik her wirkte der Fremde weniger wie ein Junkie, als vielmehr wie ein Mitglied einer Motorradgang. Möglicherweise war er aber auch eine Kombi aus beidem.
    „Es wäre wirklich nett, wenn Sie wenigstens eine meiner Fragen beantworten würden.“ Jason gab seinem Ton einen sarkastischen Beiklang.
    „Mijo.“
    „Was?“
    Der Fremde lehnte sich
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