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Splitter im Auge - Kriminalroman

Titel: Splitter im Auge - Kriminalroman
Autoren: PeP eBooks
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wurde, und er wusste, es gab nur diese eine Möglichkeit.
    Batto sah den Mann zu spät.
    Er hatte die Tür aufgestoßen und sich in einer blitzartigen Bewegung Maximilian Trampe gegriffen, den er von hinten umschlang, ihm die Pistole an den Kopf setzte und irgendetwas schrie. Alle schrien plötzlich.
    Das war Robert Trampe, daran bestand kein Zweifel, und Batto fluchte innerlich, wie sie so unvorsichtig hatten sein können, wie sie sich von dem Krüppel hatten einlullen lassen. Keiner schien auf dem Plan gehabt zu haben, dass der Bruder doch da sein könnte.
    »Da rein!«, brüllte Robert Trampe. »Geht da rein! Sofort!«
    Er roch die Haare von Max, die sein Kinn berührten, er spürte dessen Körper, von dem eine unpassende Ruhe ausging, und er versuchte, den Griff nicht zu fest zu halten, um ihm keine Schmerzen zuzufügen.
    Mit unsicheren Schritten schleppte er sich und Max rückwärts in Richtung Wand, um von hinten Sicherheit zu spüren, hörte die Rufe der Polizisten, die beschwichtigendes Zeug laberten, sah, dass einige ihre Waffe gezogen hatten, und in diesem verfluchten Augenblick fühlte er, wie es anfing, wie der Schwindel kam, wie die Schwerkraft wieder begann, ihre Richtung zu ändern. Er versuchte, dagegen anzukämpfen, wie er es am Anfang immer getan hatte, bevor er merkte, dass es sinnlos war. Jetzt aber kämpfte er wieder, es durfte nicht sein, nicht jetzt. Aber dieses Mal war es anders als sonst. Es ging nicht weiter, die große Waschmaschine kam nicht. Aber jetzt hörte er eine Stimme in sich, erst ganz leise als ein Flüstern, dann lauter, immer lauter, er kannte diese Stimme, sie war ihm ganz vertraut, er wusste noch genau den Tag, als sie zum ersten Mal da gewesen war, konnte sich an all die Augenblicke erinnern, als sie da gewesen war, auch an den einen, ja, er kannte diese Stimme, er hatte sie nur viele Jahre nicht gehört. Die Stimme sagte: »Stoß ihn weg!« Sagte es immer wieder. »Stoß ihn weg, los, mach ihn weg!« Er versuchte, sie zu ignorieren und wieder zu vertreiben, er schüttelte den Kopf, aber sie wurde immer lauter und drängender. »Stoß ihn weg!«, brüllte die Stimme. »Stoß ihn weg aus deinem Leben, jetzt, endgültig, stoß ihn verdammt noch mal endlich weg!« Und dann schrie sie: »Töte ihn!« Immer lauter: »Töte ihn, töte ihn!« Und als er es kaum mehr ertragen konnte, hörte er in diesem Schreien plötzlich eine zweite Stimme, mit einem ganz anderen Klang, die er aber auch kannte und die auch lange eingeschlossen gewesen war, viele Jahre, irgendwo hinter hohen Barrieren in seinem Innern, es war eine Stimme, die er geliebt hatte, auf die er einmal täglich gewartet hatte, es war die Stimme seines Vaters, und die sagte: »Du bist schuld.« Sagte es immer wieder. »Du bist schuld!« Immer lauter und immer wieder. »Du bist schuld!« Vermischte sich mit der anderen Stimme, kämpfte mit ihr in seinem Kopf. »Du bist schuld!« »Töte ihn!« »Du bist schuld!« »Töte ihn!« Die beiden Stimmen wurden allmählich ein Ton, ein entsetzlich schmerzhafter Ton, den er nicht aushielt, nicht aushalten konnte, den er nicht aushalten wollte, und er schrie: »Nein!«
    Batto hatte seine Waffe gezogen und sah, wie die beiden Brüder rückwärts stolperten, gegen die Wand stießen, und Robert Trampe verschwand für ihn völlig hinter der Gestalt seines Bruders, war kaum mehr zu sehen. Und einen Augenblick hatte Batto das irrwitzige Bild im Kopf, die beiden seien ein Körper, ein Körper mit vier Armen und vier Beinen, auf eine eigenartige Weise verschmolzen, wie eine indische Gottheit, die er einmal auf einem Bild gesehen hatte, kaum zu unterscheiden. Sie waren eins. Als Batto den furchtbaren Schrei hörte, wusste er nur deshalb, dass er von Robert kommen musste, weil Max Trampe seine Lippen geschlossen hielt, und als in diesen Schrei der Schuss fiel und auf der anderen Seite Blut und Gewebe wegspritzten, wusste Batto nicht, aus welchem Kopf gerade das Leben geblasen worden war.
    Nach einem Schuss hatte man oft den Eindruck, es sei stiller als vorher, dachte Batto, weil dieses Geräusch so laut ist, dass alles hinterher als leise erscheint. In diesem Augenblick aber herrschte tatsächliche Stille in dem Raum, niemand sagte etwas, alle waren wie erstarrt, bis Robert Trampes Hand auf der Brust seines Bruders sich langsam entkrampfte, den Stoff der Jacke losließ und sein Körper zu Boden glitt. Aus einer Wunde vor seinem rechten Ohr rann Blut auf die Dielen, dann erst war einer der
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