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Spion auf der Flucht

Spion auf der Flucht

Titel: Spion auf der Flucht
Autoren: Stefan Wolf
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mausefall-kurzer Stoppelschnitt, blond.
Der Typ hielt den Kopf etwas schief, als schmerze sein Genick, und bewegte sich
schwerfällig.
    Er drängte sich an Ludwig vorbei, ohne
ihn anzusehen.

    In der Herrentoilette roch es beißend
nach Desinfektionsmitteln.
    Ein Penner stützte sich an die Wand. Es
war einer der Typen, die ständig vor dem Bahnhof herumlungern und mit
Leichenbittermiene schmal machen (betteln).
    Noch ein Betrunkener, dachte Ludwig.
War hier ‘ne Party?
    Die Tür von Kabine sechs lehnte am
Rahmen.
    Er machte sich nicht die Mühe, dachte
Ludwig, hinter sich abzuriegeln, sah nur rasch ins Versteck.
    Der Umschlag war weg.
    Für einen Moment stellten sich seine
Nackenhaare auf.
    Jetzt waren die Würfel gefallen. Wie
ging es weiter?
    Er fuhr nach Hause.
    Helga hatte Sabinchen schon ins Bett
gebracht. Auf Maisinghausen senkte sich ein warmer Sommerabend. Die Gärten
dufteten nach voller Frucht und Blüten. Verhältnismäßig wenig Mücken
schwirrten, und überall in diesem Viertel saßen die Leute auf Balkon oder
Terrasse. Die ersten Windlichter wurden angezündet, als die Dämmerung anbrach.
Hier und dort klirrten Bierflaschen. Nur bei Dr. Lattmann drüben, wie die Dröselhoffs
sahen, war keine Freiluft-Veranstaltung, sondern lediglich Licht hinter seinem
Fenster im Obergeschoß.
    „Er ist eben ein Stubenhocker“, sagte
Helga.
    „Ein Steißtrommler“, stellte Dröselhoff
fest — was auch immer er damit meinte.
    Kein Wort von den Vorfällen erzählte er
seiner Frau. Auch von der Erpressung ahnte sie nichts. Rödermeyers Geld hatte
er in einem Bankschließfach versteckt. Er wußte nicht, wie Helga reagieren
würde. Sie war kein Tugendschaf und schubste ihn bisweilen, damit er um Gehaltserhöhung
nachsuchte. Sie hatte Ansprüche, die sich nur mit Geld erfüllen ließen. Aber
würde sie eine Erpressung gutheißen?
    Ich muß das mit mir allein abmachen,
dachte er. Vorläufig jedenfalls.
    Wider Erwarten schlief er gut in dieser
Nacht.
    Als er am nächsten Morgen zum WBCB
fuhr, schlug ihm das Herz bis zum Hals.
    Hatte der Schläger seinen Job getan und
— versehentlich — den Auftraggeber durchgebleut? Das wäre der Gag (Spaß). Und Rödermeyer würde kapieren, daß man mit einem Ludwig Dröselhoff nicht
gut Kirschen ißt.
    Ludwig nahm sich zusammen. Die erste
Dienststunde verbrachte er am Schreibtisch. Aber die Arbeit blieb liegen, und
er beschäftigte sich mit dem Abbeißen der Fingernägel.
    Seine Nerven, merkte er, waren doch
keine Stahlseile. Er brauchte Gewißheit. Während er den Daumennagel
beknabberte, dachte er sich einen Vorwand aus, in Rödermeyers Abteilung zu
socken. Die Alpha-B-Super-Mini-Chip-Kostenrechnung fiel ihm ein. Ja, das war’s.
Da blieben noch zwei, drei Fragen offen.
    Er nahm die Unterlagen aus dem Aktenschrank.
    Als er auf den Flur trat, kam ihm
Rödermeyer entgegen.
    Beide blieben stehen. Sie starrten sich
an.
    Ludwig spürte den kribbeligen Drang in
der Kehle, ein Schadenfreude-Gelächter von Phonstärke fünf rauszulassen — was aber
im WBCB so unangebracht war wie lautes Rülpsen in der Kirche.
    Rödermeyer sah aus! Mann, sah der aus!
    „Morgen, Rödermeyer!“ sagte Ludwig.
„Was haben Sie denn gemacht? Beim Golfspielen verunfallt, was? Haben Sie sich
selbst mit dem Schläger.... Aber von einem Schlag allein rührt das nicht her,
nein! Und wer haut sich schon drei- oder viermal selbst mit dem Schläger an die
Birne? Einem fortgeschrittenen Spieler wie Ihnen passiert das doch nicht. Ah,
ich verstehe! Golfbälle haben Sie getroffen. Mindestens mehrere. Sie standen
unter Beschuß, ja?“

    Er redete wie aufgezogen. Es war zu
komisch.
    Bleiche Wut überzog Rödermeyers
Gesicht. Das hob die Blutergüsse an Kinn, Wangen und Stirn noch deutlicher
hervor. Auf dem Nasenrücken war die Haut abgeschürft.
    „Machen Sie sich über mich lustig?“
fragte er rauh.
    „Im Gegenteil. Sie haben mein
Mitgefühl. Ich wollte Sie nur aufheitern.“
    „Danke.“
    „Keine Ursache. Sie sind aufs Gesicht
gefallen, ja?“
    „Ein Motorradfahrer hat mich
gestreift.“
    „Am Gesicht?“
    „An der Hüfte. Das allein wäre nicht
schlimm gewesen. Leider bin ich gestürzt. Ich stand neben einem Haufen
Pflastersteine. Für Straßenarbeiten. Oder was weiß ich. Jedenfalls konnte ich
die Hände nicht rechtzeitig hochreißen. Ich schlug mit dem Gesicht auf die
Steine. Daher die vielen Blutergüsse. Ein Wunder, daß meine Augen nicht
verletzt sind und die Zähne nicht wackeln.“
    Ludwig nickte.
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