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Spion auf der Flucht

Spion auf der Flucht

Titel: Spion auf der Flucht
Autoren: Stefan Wolf
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Küche.
Den weißen lehnte Blassmüller ab. Wegen der nichtssagenden, ausdruckslosen
Farbe — wie er schweratmend begründete. Der rote, der wie Kirschsaft aussah,
beglückte sein Malerauge und tat seinem Kreislauf gut.
    Bei einem Maler läuft alles übers Auge,
dachte Tim. Das muß man sich merken. Ein Komponist ( Tondichter ) schließt
vermutlich die Augen und hört sich an, wie der Wein ins Glas gluckert, bevor er
sich entscheidet.
    „Es war zu dumm von mir“, berichtete
Blassmüller. „Als ich telefonierte, habe ich die Fensterflügel zugeschoben,
aber vergessen, den Griff einzurasten. Bin dann in die Küche gelaufen, um mein
Beil zu holen. Aber ich fand’s nicht und fand’s nicht. Schon dachte ich, es
liege vielleicht noch auf dem Nachttisch. Da war der Kerl hinter mir. Er ist
durchs Fenster eingestiegen. Niedergeboxt hat er mich, gefesselt, getreten. Und
in den Keller geschleift. Ich sollte einen Denkzettel kriegen — dafür, daß ich
ihn bei der Polizei angeschwärzt habe. Dieser Verrückte! Als wäre das was
Persönliches. Ich habe lediglich seine Personenbeschreibung geliefert. Aber für
so einen Wahnsinnigen ist das offenbar Grund genug, sich zu rächen. Offenbar
wußte er noch nicht, wie der Denkzettel aussehen soll. Auf und ab gelaufen ist
er. Hat immer gemurmelt: Was mache ich mit ihm? Was mache ich mit ihm?“
    „Das hätte er sich vorher überlegen
sollen, der Trollkopf“, meinte Klößchen. „Dann hätte er nicht soviel Zeit
verloren, und Sie wären... ach so! Was für ein Glück, daß der Gorilla so
phantasiearm im Kopf ist. Denn vor dem Denkzettel hat’s ja geklingelt — an der
Tür, meine ich — , und das waren wir.“
    „Wofür ich euch unendlich dankbar bin“,
nickte Blassmüller. „Was ist denn gewesen?“
    Tim berichtete.
    „Also nicht auf dem Nachttisch“,
murmelte Blassmüller. „Im Atelier war das Beil. Ich werde mir ein zweites
kaufen, das dann immer auf dem Nachttisch liegt. Als Waffe. Wenn man so einsam
wohnt, fühlt man sich nachts nicht sicher.“
    Er schenkte sich noch einen Schluck
Wein ein, und sein dämonischer Blick wurde milder.
    „Jetzt weiß ich“, rief er, „wie ich
euch danken kann. Ich werde euch malen.“
    „Das können wir nicht annehmen“, meinte
Tim. „Denn zwei Gemälde — von Willi und von mir — wären wirklich zuviel für
unsere selbstverständliche Hilfe. Auf ein Bild passen wir nicht — wegen Willis
Übergewicht. Und deshalb hätte ich einen anderen Vorschlag als Bitte. Dein
Einverständnis vorausgesetzt, Willi.“
    „Laß hören!“ meinte Klößchen.
    „Wir wünschen uns ein Gemälde von Gaby
— und hängen es im Adlernest auf. Eventuell über meinem Bett. Aber ansehen
kannst du’s ja genau so wie ich. Gaby“, wandte er sich erklärend an
Blassmüller, „ist meine Freundin — und wirklich irrsinnig hübsch.“
    „Es soll mir ein Vergnügen sein“,
lächelte Blassmüller, „die junge Dame zu porträtieren. Aber jetzt müssen wir
die Polizei anrufen, wie?“
    „Kommissar Glockner“, nickte Tim. „Er
ist Gabys Vater.“

6. Rödermeyers Gesicht
     
    Entgegen seiner Gewohnheit fuhr Ludwig
Dröselhoff nicht nach Hause.
    In einem Café trank er zwei Portionen
Kaffee. Er aß Apfeltorte mit Sahne, starrte durchs Fenster auf die Straße
hinaus und fragte sich, wie der Schläger wohl aussehe.
    Nach etwa einer Stunde fuhr er wieder
zum Bahnhof, suchte die Herrentoilette auf und sah nach in Kabine sechs.
    Der Briefumschlag war noch da.
    Ludwig rief zu Hause an. Seine Frau
meldete sich.
    „Helga, ich muß heute etwas länger
bleiben. Habe noch zu tun. Mach dir keine Sorgen. Hast du den Fleck aus dem
Teppich rausgekriegt? Oder müssen wir einen neuen kaufen?“
    „Der Fleck ist fast raus. Ich glaube,
es geht so. Hätte nie gedacht, daß Tomatensoße so fest sitzt.“
    „Gib Sabine ein Bussi. Bis später.“
    Im Bahnhofskino sah er sich einen
Western an. Es war der letzte Schwachsinn.
    Gegen 19.30 Uhr stieg er im Hbf wieder die
Stufen zur Herrentoilette hinab.
    Ein Typ von etwa 19 Jahren kam ihm
entgegen. Er war bekleidet mit schwarzem Leder und Stahlnieten. Er hatte
Schlägermanschetten an den Handgelenken und eine nachpubertäre Akne (Pickel-Krankheit) im Gesicht.
    Ludwig wurde von ihm angerempelt,
erschrak, sagte aber nichts, ballte nur die Faust in der Tasche und strebte
treppab.
    An der Toilettentür stieß er mit einem
vierschrötigen Burschen zusammen, der einen runden Schädel und kleine
Blinzelaugen hatte. Die Frisur war ein
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