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Spinnenfalle

Titel: Spinnenfalle
Autoren: Nina Schindler
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Interessen und die Zwillinge waren noch viel zu klein für solche Themen.
    Ja, eine große Schwester - das wäre schön gewesen.
    Wie man sich doch täuschen kann …

4
    G leich am nächsten Tag stand Ljuba mit einem Koffer und einer Reisetasche vor unserer Tür (jedenfalls standen diese Sachen dann später auf dem Schrank in ihrem Zimmer), und als ich mittags aus der Schule kam, war sie bereits ins Gästezimmer eingezogen.
    Im Bad hatte ich vorsichtshalber schon am Vortag unter dem Spiegel die halbe Ablage und im Regal ein Bord freigeräumt, da standen jetzt ein paar Kosmetikartikel mit Etiketten mit kyrillischen Buchstaben (wahrscheinlich Nivea auf Russisch), und im Regal lagen die Handtücher und Badetücher, die wir für Ljuba auf den Tisch gelegt hatten, und eine Tüte mit Watte und ein Karton mit Binden.
    Meine Mutter und ich hatten das Gästebett frisch bezogen, eine bunte Tagesdecke darübergebreitet und Kissen daraufgelegt, die früher auf Daniels Bett gelegen hatten, bevor er sich zu männlich für solchen Schnickschnack fühlte, wie er das nannte. Als ich im Vorbeigehen einen neugierigen Blick durch den geöffneten Türspalt von Ljubas Zimmer riskierte, fand ich, es sah ganz gemütlich aus.
    In den nächsten Tagen zeigte Mama Ljuba ihre Aufgaben.
    Sie sollte einkaufen, ein bisschen bei der Hausarbeit helfen und nachmittags die Zwillinge beaufsichtigen.
    Da die sich im Prinzip sehr gut selbst organisierten, mussten sie nur hin und wieder zu ihren Freundinnen
gebracht und abgeholt werden, oder man musste den Mädchen, wenn sie bei uns waren, mal einen Saft oder Apfelschnitze bringen und dafür sorgen, dass sie das Haus nicht in die Luft jagten. Außerdem wurden sie zum Kinderturnen gebracht und abgeholt, und wenn es heiß genug war (aber das ist in Bremen leider nicht so häufig der Fall, wie man es sich wünschen würde), ging man mit ihnen ins Freibad.
    Ansonsten hatte Ljuba frei und abends konnte sie zu ihren Kursen gehen. Da sie schon über achtzehn war, machten unsere Eltern ihr keine direkten Vorschriften, wann sie nach Hause zu kommen hatte, aber meine Mutter ließ durchblicken, dass während der Woche um elf Zapfenstreich war, denn wir mussten spätestens um halb sieben aufstehen.
    Am Anfang gab es noch manchmal komische Situationen, wenn Ljuba nicht wusste, dass man in der Mikrowelle einen Deckel auf die Pötte legen muss, weil sonst vielleicht das Zeug rumspritzt, oder wenn sie das Kabel nicht aus dem Staubsauger ziehen konnte, weil man dazu eine Sperre lösen muss. Aber sonst kannte sie sich mit allen Maschinen bestens aus, besser als ich, muss ich zugeben, denn ich kann bis heute den Staubsaugerbeutel nicht wechseln, sondern brülle immer nach Daniel (aber eigentlich eher, damit der auch mal was tut).
    In der zweiten Woche fragte Ljuba Mama, ob sie mal allein kochen dürfte, und wir fanden ihre Soljanka sehr lecker. Das ist so eine Art Eintopf mit viel Gemüse und Wurstscheiben und jeder Menge Gewürzen.
    Mama freute sich auf ihren Job und ging vormittags oft in die Bibliothek - um sich wieder einzuarbeiten, wie sie sagte. Aber ich glaube, sie war einfach schrecklich gern wieder mit ihren Kolleginnen und Kollegen zusammen. Nach so vielen Jahren mit den Zwillingen, Babygruppen,
Kindergärten und Elternabenden war sie wahrscheinlich froh, dass sie es endlich wieder mit Büchermenschen zu tun hatte.
    Bald hatte sich Ljuba in unseren Tagesrhythmus eingeklinkt.
    Das geteilte Badezimmer war gar nicht so schwierig, wie ich befürchtet hatte.
    Wenn ich aufstand, war Ljuba meistens schon fertig und kümmerte sich oben um das Frühstück, und an den Wochenenden klopfte sie immer an meine Tür und sagte: »Zwanzig Minuten? Ist okay?«, und dann wusste ich, dass ich noch länger lesen konnte. Sie hinterließ das Waschbecken und die Dusche immer picobello, sodass ich mir Mühe geben musste, um da mitzuhalten. Denn ich wollte ja nicht, dass sie hinter mir herputzte oder mich für eine Sifftante hielt.
    Wir kamen also ganz gut miteinander klar, aber das, was ich mir so als Ältere-Schwester-Ersatz vorgestellt hatte, ergab sich zu meiner Enttäuschung nicht.
    Ich fragte sie ein paar Mal, ob sie sich mit mir einen Film ansehen wollte (ich hatte nämlich in Onkel Jochens Sammlung auch den russischen Klassiker Wenn die Kraniche ziehen ), aber sie sagte immer: »Keine Zeit, muss lernen« oder so was, und als ich ihr anbot, sie könnte sich von mir Bücher ausleihen, lachte sie bloß und sagte: »War ich bei Sabine
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