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Spinnenfalle

Titel: Spinnenfalle
Autoren: Nina Schindler
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in Bibliothek und hab ich jetzt ganz viele Biecher, danke.«
    Wir redeten nie über Mode oder über Kosmetik oder Filmstarskandale oder so was und schon gar nicht redeten wir über Jungs. Ich hatte sie einmal gefragt, ob sie in Russland einen Freund hätte (wie man sich eben nach solchen Sachen erkundigt, das ist doch ganz normal), aber da schüttelte sie den Kopf und sagte ganz knapp: »Nein. Kein Interesse.«

    Peng.
    Genauso gut hätte sie mir auch eine Ohrfeige geben können.
    Danach versuchte ich noch ein paar Mal, sie zu einer gemeinsamen Unternehmung zu bewegen, aber ich holte mir immer einen Korb.
    Hatte sie etwas gegen mich? Solange andere in der Nähe waren, tat sie freundlich und nett, aber sobald wir allein waren, zeigte sie mir die eiskalte Schulter und ich erntete böse Blicke.
    Warum? Was hatte sie gegen mich?
    War sie mir wegen irgendwas böse? Woher kam dieser Groll?
    Ich war ratlos.
    Doch während ich enttäuscht auf Abstand ging, versuchte Daniel sich bei ihr unentbehrlich zu machen. Er fragte ständig, ob sie Hilfe bräuchte, bei Übersetzungen oder so, lud sie ein, mit in die Disco zu kommen, er bot ihr an, den Wäschekorb in den Keller zu tragen - etwas, das er bei Mama oder mir noch NIE gemacht hatte.
    Doch seine großzügigen Angebote brachten ihm immer nur ein freundliches Lächeln und eine dankende Ablehnung ein.
    »Ich hab ein neues Computerspiel«, sagte er einmal nach dem Mittagessen, als wir gemeinsam den Tisch abräumten, und grinste sie einladend an. »Willst du mal mitspielen?«
    »Danke, nein«, sagte Ljuba lächelnd.
    »Ist aber echt super, es spielen auch Russen mit!«, versuchte er sie zu locken.
    »Danke, nein«, wiederholte sie, und ich sah, wie Daniel einen roten Kopf bekam.
    »Wir brauchen ja nicht zu ballern, ich hab auch jede Menge Strategiespiele.« Er ließ nicht locker.

    Mama und Papa, die noch am Esstisch saßen, warfen sich amüsierte Blicke zu, aber mir war seine Hartnäckigkeit eher peinlich.
    »Habe ich keine Zeit, muss ich lernen«, lehnte sie ab. »Danke vielmals.«
    »Oder …«, setzte er wieder an.
    »Daniel, es reicht. Du hast doch gehört - Ljuba möchte nicht, also respektiere das«, sagte Mama.
    »Ist ja schon gut«, brummelte er und verzog sich.
    Ich staunte. Was war denn das? Hatte Daniel sich etwa in Ljuba verknallt?
    Immerhin war sie ziemlich hübsch. Man konnte sogar sagen: sehr hübsch.
    Aber sie war doch älter als er - störte ihn das nicht?
    Anscheinend nicht, denn er blieb am Ball und versuchte weiterhin, irgendwie bei ihr zu landen, während sie ihn freundlich auf Distanz hielt.
    »Lass nur, den trag ich raus«, sagte er ein anderes Mal und wollte ihr den gelben Sack abnehmen.
    »Nein, danke, kann ich schon machen«, wehrte sie lachend ab. »Bin ich stark wie tausend Männers.«
    »Männer«, sagte ich, weil wir sie immer korrigieren sollten, darum hatte sie gebeten.
    »Männer«, wiederholte sie und lief mit dem Sack zur Haustür. »Aber danke.«
    Als Mama mit ihr einmal vor dem Abendessen den Einkaufszettel für den nächsten Tag besprach, sah Daniel ihr über die Schulter und meinte fürsorglich: »Das ist doch viel zu schwer für sie. Ich könnte ihr tragen helfen.«
    Mama sah ihn verblüfft an, aber Ljuba grinste nur.
    »Sähr nett«, strahlte sie. »Aber nicht nötig, danke. Ich ziemlich stark, ja?«

    Ich bekam mit, dass unsere Eltern sich manchmal verstohlen zugrinsten, wenn Daniel Ljuba wieder mal anbot, ihr zu helfen oder etwas für sie zu machen. Doch als er dann ein paar Mal abends, sogar spätabends unter höchst fadenscheinigen Vorwänden zu mir runterkam, weil er angeblich irgendein Heft oder Buch oder eine CD von mir wollte (wahrscheinlich hoffte er, er würde ihr hier unten begegnen - in der Unterwäsche?), wurde es Mama zu bunt und sie redete wohl ein ernstes Wörtchen mit ihm, denn diese spätabendlichen Besuche hörten genauso plötzlich wieder auf, wie sie angefangen hatten.
    Daniel zog sich zurück, redete ein paar Tage lang bei Tisch kaum etwas und schmollte.
    Doch Ljuba tat so, als merke sie nichts.
    »Iss doch noch ein Häppchen«, sagte sie und hielt ihm den Brötchenkorb hin. »Sieh mal, hab ich gekauft Lieblingsbrötchen von dir, echt Canehl.«
    Bevor ihm einfiel, dass er eigentlich beleidigt war, hatte er schon zugegriffen.
    »Hat Daniel Wasserhahn repariert«, verkündete sie ein anderes Mal. »Sehr tüchtig, also wirklich.«
    Da grinste er zufrieden und redete danach auch wieder mit ihr.
    Sehr geschickt, dachte ich
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