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Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Titel: Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)
Autoren: Hermann Scherm
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verstehst du mich!?« Aber der Maskierte sah ihn nur verständnislos an und rannte an Mark vorbei seiner Gruppe hinterher.
    Mark gab auf und machte sich auf den Weg zur nächsten U-Bahn-Station. Wenn er wollte, konnte er sich ja auch unterwegs auf einem x-beliebigen Polizeirevier stellen oder darauf warten, dass man ihn zu Hause verhaftete. Es hatte keine Eile mehr. Er hatte seinen Job erledigt.
    Vollkommen unbehelligt erreichte er die U-Bahn-Station. Er setzte sich in den erstbesten Zug und fuhr ein paar Stationen weit, ohne wahrzunehmen, in welche Richtung der Zug unterwegs war. Erst dann fing sein Verstand wieder an zu arbeiten. Er hatte es wirklich getan. Er hatte es wirklich getan! Er spürte wie eine Gänsehaut über seine Arme lief. Einen Augenblick lang war er sich nicht mehr sicher, ob er das Richtige getan hatte. Aber dann spürte er wieder eine unendliche Genugtuung und Erlösung. Er lehnte sich zurück und genoss dieses Gefühl.

* * *
    Kurz vor Einbruch der Nacht erreichte er die polnische Grenze. Aus Angst, geschnappt zu werden, hatte er unterwegs nur ein paar kleine Pausen eingelegt, um zu trinken und Nahrung zu sich zu nehmen.
    Als er jetzt mit dem Fahrrad von der Straße abbog und langsam einen dunklen, unwegsamen Waldweg entlang fuhr, konnte er endlich aufatmen. Die nach Moos riechende Waldluft beruhigte ihn. Er hatte es geschafft. Er hatte sein Ding tatsächlich durchgebracht. Zwar hatte er Mark nicht aus dem Saal in Sicherheit bringen können, aber er hatte der Agentur einen heißen Tanz bereitet und verhindert, dass sie Mark abknallten. Und in dem Chaos war es Mark vielleicht ja selbst gelungen, zu entkommen. Um den Minister war es nicht schade. Mark hatte ihn vollkommen zu Recht umgelegt. Chris Schneider war wirklich ein Heuchler gewesen, korrupt und ohne jede Moral, so wie die Agentur und wie viele Politiker. Dieser Innenminister hatte ohne Gewissen gehandelt, so wie die Agentur ohne jedes Gewissen handelte und noch stolz darauf war.
    Plötzlich hörte er ein dumpfes Geräusch, das ihm seltsam vertraut vorkam, ein Geräusch, das er während seiner Ausbildung oft gehört hatte. Und fast gleichzeitig spürte einen Schlag gegen seine Brust und eine seltsame Wärme, die sich ausbreitete wie warmes Wasser, das langsam über seine Brust nach unten floss. Als ihn das zweite Geschoss aus der schallgedämpften Waffe mit tödlicher Macht traf, wusste er, was das Geräusch bedeutete. Die Dunkelheit wechselte zu Schwarz. Es war undurchdringlich und grenzenlos, kein Licht am Ende des Tunnels. Sein Fahrrad strauchelte und kam vom Kurs ab. Führerlos rollte es ein Stück in den Wald hinein und kippte fast geräuschlos neben einer Birke auf den Waldboden.

* * *
    Paul schlug die Augen auf, konnte aber nichts erkennen. Die Welt um ihn bestand aus verschwommenen, unscharfen Flächen unterschiedlicher Helligkeit, die ineinander verschoben waren und sich permanent bewegten. Je mehr er sich anstrengte, etwas zu sehen, desto unklarer wurde seine Wahrnehmung. Er versuchte, sich aufzurichten, aber es gelang ihm nicht. Seine Hilflosigkeit versetzte ihn in Panik. Sein Herz raste, unkontrolliert. Er fing an zu schreien, um die unerträgliche Spannung los zu werden, aber er konnte seinen Schrei nicht hören. Nur in endloser Ferne glaubte er, seine Stimme zu erkennen. »Wenn du leben willst, musst du es schaffen, dich zu beruhigen! Um jeden Preis!«, sagte er zu sich, schloss die Augen und begann zu zählen, rückwärts, von 100 an abwärts. Es gelang ihm nicht. »Nicht schlimm, mach es einfacher!«, versuchte er die wieder aufkommende Panik in Schach zu halten und begann ein sinnloses Mantra vor sich hin zu lallen, das er mal in einem Maharishi Workshop gelernt hatte. Es dauerte quälend lange, bis er es endlich geschafft hatte, sich zu beruhigen. Als er seinen Atem im Griff hatte, schlug er wieder die Augen auf. Er konnte wieder etwas besser sehen. Die unscharfen Flächen näherten sich in ihrem Aussehen wieder der Optik von bekannten Gegenständen an.
    Direkt über ihm an der Decke gab es fünf Lichtpunkte, die in Form eines Pentagons angeordnet waren. Er kannte diese Lampen. Und langsam wurde ihm klar, wo er sich befand. Es musste eines der zentralen Versuchslabors von Gene Design Tech sein. Er fühlte, wie Schweiß auf seine Stirn trat, und wollte die Hand heben, um ihn weg zu wischen, aber er konnte nicht. Mit großer Anstrengung gelang es ihm schließlich, seinen Kopf zur Seite zu kippen und ein bisschen anzuheben.
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