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Spillover

Spillover

Titel: Spillover
Autoren: David Quammen
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jetzt vorüber. Auch eine Reihenuntersuchung an Katzen, Hunden und Ratten rund um Rails Stall erbrachte keine positiven Befunde.
    Das jahreszeitliche Auftreten des Virus war eine Möglichkeit. Eine andere war, dass es in kürzeren Zeitabständen kam und ging. Flughunde beispielsweise kamen nachts in großer Zahl zur Nahrungssuche auf die Koppel von Cannon Hill, kehrten dann aber zu ihren anderswo gelegenen Schlafquartieren zurück, wo sie sich tagsüber aufhielten. Peter Reid hatte von einem Einheimischen aus Cannon Hill gehört, die Flughunde seien in den Nachtstunden »so zahlreich wie die Sterne am Himmel«. Deshalb hatte der Tierarzt beim AAHL angeregt, auch die Fledertiere einer genaueren Überprüfung zu unterziehen, aber der Vorschlag wurde offensichtlich nicht weitergegeben. Hume Field und seine Mitarbeiter steckten mit ihrer Suche nach dem Reservoir bis zum Oktober 1995 in der Sackgasse; erst dann gab ihnen ein neuerliches Unglück eine hilfreiche Anregung.
    Ein junger Zuckerrohrbauer namens Mark Preston, der in der Nähe der Ortschaft Mackay rund 1000 Kilometer nördlich von Brisbane wohnte, erlitt eine Reihe von Krampfanfällen. Seine Frau brachte ihn ins Krankenhaus. Prestons Symptome waren insbesondere deshalb beunruhigend, weil sie eine zweite Gesundheitskrise in knapp mehr als einem Jahr bedeuteten. Im August 1994 hatte er an einer rätselhaften Krankheit gelitten – Kopfschmerzen, Erbrechen, steifer Hals, die vorläufige Diagnose lautete »Meningitis unbekannter Ursache«. Davon hatte er sich aber erholt. Oder jedenfalls scheinbar erholt. Als Meningitis bezeichnet man eine Entzündung der Häute, die das Gehirn und das Rückenmark umgeben; Ursache kann ein Bakterium, ein Virus oder auch die Reaktion auf ein Medikament sein, und unter Umständen verschwindet sie auf ebenso unerklärliche Weise wieder, wie sie entstanden ist. Preston kehrte auf seine Farm zurück, wo er mit seiner Frau Margaret lebte, einer Tierärztin, die dort zwischen Zuckerrohr und Zuchthengsten ihre Praxis führte.
    Waren Mark Prestons Krampfanfälle jetzt ein Zeichen, dass die unsicher diagnostizierte Meningitis wieder aufflammte? Nach seiner Aufnahme ins Krankenhaus bekam er eine schwere Enzephalitis – eine Gehirnentzündung, Ursache immer noch unbekannt. Die Krampfanfälle brachte man mit Medikamenten unter Kontrolle, aber die Ärzte konnten zusehen, wie Stürme der Qual über den Bildschirm des Elektroenzephalographen flackerten. Später hieß es in einem medizinischen Bericht: »Die tiefe Bewusstlosigkeit und das Fieber dauerten an, 25 Tage nach der Aufnahme in die Klinik starb er.« 2
    Blutserum, das man Preston im Verlauf seiner Krankheit abgenommen hatte, erwies sich im Test als positiv für Antikörper gegen das Hendra-Virus. Den gleichen Befund lieferte auch das Serum aus dem Vorjahr, das man während der ersten Krankheitsepisode entnommen, aufbewahrt und jetzt noch einmal getestet hatte. Seit jener Zeit hatte sein Immunsystem gegen den Erreger angekämpft. Nach dem Tode bestätigten sowohl die Untersuchung des Gehirngewebes als auch andere Tests, dass Hendra vorhanden war. Offensichtlich hatte der Erreger einmal zugeschlagen, sich dann zurückgezogen und in latenter Form ein Jahr überlebt, um schließlich wieder aktiv zu werden und ihn umzubringen. Das war auf eine ganz neue Art beängstigend.
    Wo hatte er es sich geholt? Als die Wissenschaftler versuchten, seine Geschichte zu rekonstruieren, erfuhren sie, dass auf Prestons Farm im August 1994 zwei Pferde gestorben waren. Mark Preston hatte seiner Frau bei der Versorgung der Tiere während ihrer plötzlichen, tödlich verlaufenden Krankheit geholfen und war auch in der Nähe, als sie die Nekropsien vornahm. Gewebeproben, die Margaret Preston damals den beiden Pferden entnommen hatte, erwiesen sich jetzt im Test auf Hendra ebenfalls als positiv. Aber obwohl die Tierärztin selbst mit dem Erreger in Kontakt gekommen war, blieb sie gesund – genau wie Peter Reid, der nicht erkrankte, nachdem er einige Wochen später bei Vic Rail mit dem Virus zu tun hatte. Der gute Gesundheitszustand der beiden Tierärzte warf die Frage auf, wie ansteckend das neue Virus eigentlich war. Und der Fall Preston führte mit seiner großen Entfernung vom Ort der ersten Epidemie dazu, dass die Ärzte sich besorgt fragten, wie weit der Erreger sich vielleicht schon ausgebreitet hatte. Wenn man die Entfernung von Hendra bis zur Farm der Prestons als Radius eines möglichen Verbreitungsgebietes
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