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Spillover

Spillover

Titel: Spillover
Autoren: David Quammen
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unterstellte und um jeden Krankheitsherd einen Kreis mit diesem Radius zog, so erfasste man das Wohngebiet von rund 10 Millionen Menschen, fast die halbe Bevölkerung Australiens.
    Wie groß war das Problem? Wie weit hatte sich das Virus ausgebreitet? Ein Wissenschaftlerteam unter Leitung des Mediziners Joseph McCormack, eines Experten für Infektionskrankheiten aus dem Krankenhaus in Brisbane, in dem Vic Rail gestorben war, ging das Problem in aller Gründlichkeit an. Sie untersuchten das Blutserum von 5000 Pferden aus Queensland – also mehr oder weniger von allen Pferden, denen sie eine Kanüle einführen konnten – und von 298 Menschen, die in irgendeiner Form mit dem Hendra-Fall in Berührung gekommen waren. Keines der Pferde trug Hendra-Antikörper in sich, und bei den Menschen fand man ebenfalls keine. Wir können annehmen, dass diese negativen Befunde bei den Gesundheitsbehörden ein erleichtertes Seufzen auslösten und die Denkerstirnen der Wissenschaftler in weitere Falten legten. McCormacks Arbeitsgruppe gelangte zu dem Schluss: »Offenbar ist für eine Übertragung der Infektion von Pferden auf Menschen ein sehr enger Kontakt erforderlich.« 3 Aber das war eigentlich nur das Pfeifen im Keller. Die Aussage, es sei »sehr enger Kontakt erforderlich«, war keine Erklärung dafür, warum Margaret Preston ihren Mann überlebt hatte. In Wirklichkeit musste man sagen: Sehr enger Kontakt, aber auch großes Pech und vielleicht ein oder zwei andere Faktoren waren notwendig, damit jemand sich infizierte; welches diese anderen Faktoren waren, wusste niemand.
    Immerhin lieferte der Fall Mark Preston aber für Hume Field wichtige Anhaltspunkte: einen zweiten Punkt auf der Landkarte und einen zweiten Zeitpunkt. Hendra-Virus in Mackay im August 1994; Hendra-Virus auf der Koppel in Cannon Hill und in Rails Stall im September 1994. Also fuhr Field nach Mackay und wandte dort erneut seine Methode an: Er fing Tiere, entnahm ihnen Blut, schickte Serum zum Antikörpertest. Und wieder fand er nichts. Auch verwundeten oder anderweitig geschwächten Wildtieren verschiedener Arten entnahm er Blutproben; es handelte sich um Tiere, die in menschlicher Obhut versorgt wurden, bis man sie wieder in die freie Wildbahn entlassen konnte. Die Menschen, die diese Versorgung übernehmen – ein lockeres Netzwerk hilfsbereiter Amateure –, heißen im australischen Sprachgebrauch carer , also »Fürsorger«. In der Regel spezialisieren sie sich auf eine zoologische Kategorie. Es gibt Känguru-Fürsorger, Vogel-Fürsorger, Possum-Fürsorger (als »Possums« werden in Australien verschiedene kleine Beuteltiere bezeichnet) und Fledermaus-Fürsorger. Einige von ihnen kannte Hume Field aus der Zeit, als er in der Tierarztpraxis gearbeitet hatte; während seiner Studentenzeit war er mehr oder weniger einer von ihnen gewesen. Jetzt entnahm er einigen Tieren, die sich in ihrer Obhut befanden, Blutproben.
    Aber immer noch keine Spur von Hendra.
    Im Januar 1996, als die Suche nach einem Reservoirwirt in der Sackgasse steckte, nahm Field zusammen mit Behördenvertretern und Wissenschaftlern an einer Brainstorming-Sitzung teil, die sein Vorgesetzter vom DPI einberufen hatte. Was machten sie falsch? Wie konnten sie ihre Bemühungen gezielter gestalten? Wo würde Hendra das nächste Mal zuschlagen? Der Pferderennbranche von Queensland drohten Millionenverluste, und Menschenleben standen auf dem Spiel. Es war nicht nur ein medizinisches Rätsel, sondern auch ein drängendes Problem für Regierungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Bei dem Treffen fiel ein vielversprechendes Stichwort: Biogeographie. Es schien auf der Hand zu liegen, dass der Reservoirwirt (oder die Wirte), welche Tiere es auch sein mochten, sowohl in Mackay als auch in Cannon Hill zu Hause sein mussten – jedenfalls zumindest für einen Teil des Jahres, zu dem auch August und September gehörten. Das wies auf Tierarten hin, die entweder in Queensland weit verbreitet waren oder in großem Umfang durch den Bundesstaat wanderten . Die Sitzungsteilnehmer neigten eher der zweiten Möglichkeit zu (auch weil man genetisch keine unterschiedlichen Virusstämme hatte ausmachen können, was heißt, dass das Virus wanderte und sich vermischte): Danach waren die Reservoirwirte sehr mobil – Tiere, die an der Küste von Queensland über Hunderte von Kilometern auf und ab wandern konnten. Das wiederum lenkte den Verdacht auf Vögel und … Fledertiere.
    Die Vogel-Hypothese ließen Field und seine Kollegen
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