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Spiel der Schatten (German Edition)

Spiel der Schatten (German Edition)

Titel: Spiel der Schatten (German Edition)
Autoren: Michael Peinkofer
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sie nicht mit eigenen Augen gesehen, wie er …? Doch schon im nächsten Moment wurde ihr klar, dass es nicht wirklich der Professor war, der zu ihnen sprach – sondern nur sein Schatten.
    Im flackernd grünen Lichtschein zeichnete er sich jetzt an der Backsteinmauer ab. Anders als den übrigen Schemen schien ihm der von der Laterne entfesselte Sturm nichts anhaben zu können, vermutlich deshalb, weil er über sie gebot.
    »Vater, du lebst!«, entfuhr es Milo erleichtert. »Ich hatte gehofft, dass du …«
    »Was?«, schnappte Caligore. »Dass ich bei lebendigem Leibe verbrennen würde?«
    »Das war nicht meine Absicht«, versicherte Milo. »Aber ich musste Cyn und mich doch verteidigen.«
    »Und dazu das geheime Wissen nutzen, das ich dir mitgegeben habe?« Sein Vater schnalzte tadelnd mit der Zunge, so als wäre Milo noch ein kleiner Junge, den man bei einem Streich erwischt hatte. »Als ich dir einst sagte, dass Feuerschein das Einzige ist, das den Grimmlingen Einhalt gebieten kann, da hatte ich gewiss nicht daran gedacht, dass du dieses Wissen einmal gegen mich einsetzen könntest. Aber so ändern sich eben die Zeiten, nicht wahr?«
    »Vater, ich …«
    »Kein Wort weiter! Damit hast du mich heute bereits zum zweiten Mal verraten.«
    »Das lag nie in meiner Absicht.«
    »Und das soll ich dir glauben? Nachdem du alles zerstört hast, was ich für uns aufgebaut habe? Sieh dir an, was du getan hast, du Narr! Die Laterne ist zerstört, die Schatten fliehen, und das Caligorium steht in Flammen!«
    »Dazu hätte es nicht zu kommen brauchen«, konterte Cyn, die für Milo das Wort ergriff, »wenn Sie Ihre Fehler beizeiten eingesehen hätten. Sagten Sie nicht, dass die Schatten in der Laterne glücklich wären? Dass sie dort wahre Freiheit gefunden hätten? Wenn es so war, warum fliehen sie dann jetzt?«
    »Dummes Gör«, fauchte Caligore. »Was weißt du schon?«
    »Sie hat recht, Vater«, pflichtete Milo ihr bei. »Wir haben allen Unrecht getan, den Schatten wie den Menschen, und es ist an der Zeit, dies zu erkennen. Lass von deiner Rache ab, Vater! Sieh doch, was sie dich bereits gekostet hat! Einen Körper hast du nicht mehr, nun rette wenigstens deine Seele!«
    »Sieh an«, erwiderte der Professor mit vor Häme triefender Stimme. »Mein verräterischer Spross ist um mein Heil besorgt. Darüber solltest du dir keine Sorgen machen, ich komme schon zurecht. Außerdem – wer sagt, dass ich keinen Körper habe?«
    Cyn bemerkte etwas Lauerndes in seiner Stimme. Sie ergriff Milos Hand und wollte ihn zurückziehen, aber der Junge blieb unbeirrt stehen.
    Ein Fehler.
    Denn im nächsten Augenblick zuckte der Schatten seines Vaters peitschengleich vor und stürzte sich auf ihn. Gleichzeitig begann Caligore Worte zu murmeln – und mit Entsetzen erkannte Cyn, dass es genau dieselben Worte waren, die er auch vorhin gesprochen hatte, als er ihren Schatten rauben wollte. Die geheime Formel, die die Kräfte der laterna magica beschwor! Als würden die Worte jener uralten, längst vergessenen Sprache ihr noch einmal Kraft verleihen, intensivierte sich der grüne Schein, der aus der zerstörten Laterne drang. Ein Windstoß fauchte durch den Raum – der plötzlich auch Caligore und Milo erfasste.
    »Nein!«, schrie Milo entsetzt, als er davongerissen wurde, von Myriaden grauer Schemen umwirbelt, während Caligore wie von Sinnen zu lachen begann.
    Hämisch.
    Triumphierend.
    Dem Wahnsinn verfallen.
    Unbegreifliche Kräfte schienen plötzlich an Milo zu zerren. Hätte Cyn ihn nicht mit aller Kraft festgehalten und sich mit dem ganzen Gewicht ihres Körpers dagegengestemmt, hätte der Strudel ihn erfasst und mitgerissen.
    »Milo!«
    Cyns Schrei übertönte das Brausen des Sturmes, das Heulen der Schemen und das dröhnende Gelächter Caligores, dessen Schatten sich über Milo gelegt hatte.
    Jäh wurde Cyn klar, was der Schurke vorhatte – er wollte seinen Sohn seines Körpers berauben und so sein eigenes Überleben sichern! Cyn wusste, dass der Kampf in dem Augenblick verloren sein würde, da sie Milo losließ. Sie hielt ihn weiter krampfhaft fest, während der Schattenwind an seinem Haar und seiner weiten Kleidung zerrte – und ihm urplötzlich die Beine wegzog.
    »Cyn! Hilf mir!«
    Cyn biss die Zähne zusammen und packte so fest zu, wie sie nur konnte, doch den Kampf gegen die magische Macht würde sie nicht lange durchhalten. Schon ließen ihre Kräfte nach, Tränen der Anstrengung und der Verzweiflung traten ihr in die Augen. Mit
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