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SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit

Titel: SPEED - Auf Der Suche Nach Der Verlorenen Zeit
Autoren: Florian Opitz
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war. Anrufbeantworter, Mailbox und Terminkalender quillen über. Ich habe so viele Menschen getroffen, so viel über die Zeit und Entschleunigung erfahren und jetzt – alles wie immer, alles umsonst? Das nun auch wieder nicht.
    Also, was hat meine Suche mit mir gemacht? Hat sie mich verändert? Kann ich wenigstens irgendwelche lebensförderlichen Ratschläge geben? Werde ich irgendetwas an meinem Leben verändern, für Anton, für Caro, für mich?
    Aber erst mal der Reihe nach: Ich hatte meine Suche nach den Ursachen meiner Atemlosigkeit ja eigentlich in der festen Überzeugung begonnen, dass mein Zeitproblem eben mein Zeitproblem und damit ein höchst individuelles sein muss. Und daher dachte ich natürlich auch, dass die Lösung individuell sei und allein in meiner aus dem Ruder gelaufenen Lebensführung zu suchen sein müsse. Nachdem mir nicht mal mein beträchtliches Arsenal an technischen Geräten, die allein zum Zweck des Zeitsparens erfunden wurden, geholfen hatte, Zeit zu sparen und dadurch dann auch mehr Zeit zu haben, habe ich es also erst einmal mit einem Zeitmanagementseminar versucht, einen bitteren Reinfall erlebt, aber eine wertvolle Erkenntnis gewonnen: Zeit mit Hilfe irgendwelcher Geräte oder durch Zeitmanagement zu sparen ist nicht möglich. Auch wenn uns das immer wieder suggeriert wird und wir, wenn wir von Zeit sprechen, Begriffe aus der Welt des Geldes benutzen: Zeit kann man nicht sparen, nicht investieren oder verschwenden. Wie absurd dieses Unterfangen ist, weiß eigentlich schon jedes Kind, das Michael Endes Buch Momo gelesen hat. Darin wurde uns beschleunigten Menschen des 20. und 21. Jahrhunderts der Spiegel schon vorgehalten. Graue Männer haben bei Momo eine »Zeitsparkasse« erfunden, in die gutgläubige Bürger ihre Zeit einzahlen und sparen können. Die grauen Männer versprachen den Menschen Zinsen, das eingesetzte Zeitguthaben aber bekamen die treuherzigen Zeitsparer niemals wieder zurück. Mir war gar nicht klar, wie intelligent und präzise diese Geschichte unsere gesellschaftliche Realität und unseren Tempowahn karikiert. Zeitsparen ist also Quatsch.
    Doch dass immer mehr Menschen unter dem Gefühl der Zeitnot, des Stresses und der Überforderung leiden und sogar krank werden, lässt sich ja nicht wegdiskutieren. Das Burn-out-Syndrom ist nicht ohne Grund in aller Munde. Wie also damit umgehen, wenn man, wie ich, das Gefühl hat, nicht mehr klarzukommen mit seiner Zeit und der ständigen Hetze, sich selbst abhandenzukommen, immer oberflächlicher zu werden, nicht mehr mit ganzem Herzen bei den Dingen und in Gedanken immer schon beim nächsten Tagesordnungspunkt zu sein. Ist man da schon psychisch auffällig? Brauche man eine Therapie? Oder gibt es irgendwelche Pillen dagegen? Auch wenn Symptome schon klar erkennbar waren, als ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Psychiater aufgesucht habe: Ich hatte zum Glück noch kein veritables Burn-out-Syndrom. Weit weg davon war ich allerdings auch nicht mehr. Was der Burn-out-Experte mir rät, um das Gefühl der Zeitnot loszuwerden, leuchtet mir sofort ein: Abstand schaffen zwischen sich und dem, was den Stress verursacht. Sich abgrenzen können. Eine Zeit lang ohne die Suchtmittel auskommen, die unser Leben so prägen, unsere Tage so zerschreddern.
    Klingt banal, ist aber gar nicht so einfach. Und muss nun auch nicht zwangsläufig bedeuten, dass man sich gleich für ein halbes Jahr in ein digitales Eremitentum zurückziehen und völlig ohne Internet, Handy, Facebook und das ganze Zeugs auskommen muss. Aber eine Zeit lang ohne scheint sehr positive Effekte auf Körper und Geist zu haben. Hat man erst mal die durchaus schmerzhafte Phase der Entzugserscheinungen hinter sich gebracht, eröffnen sich offenbar ganz neue und auch alte, aber verloren geglaubte Perspektiven, berichtet der SZ-Journalist Alex Rühle von seinen Erfahrungen aus der digitalen Fastenzeit: Es wurde ihm deutlich, wie sehr die digitale Welt uns schon im Griff hat und wie sehr »die analoge Welt hinter unserem Rücken von der digitalen Welt eingesaugt wird und verschwindet«. Doch die längere Phase digitaler Abstinenz hat er durchaus auch als Gewinn empfunden: Es gibt wieder einen Feierabend und Wochenenden. Man schafft es wieder, Qualitätszeit mit Freunden und Familie zu verbringen, ein Buch an einem Stück zu lesen oder einfach ziellos Zeit zu
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