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Special - Zeig dein wahres Gesicht

Special - Zeig dein wahres Gesicht

Titel: Special - Zeig dein wahres Gesicht
Autoren: Scott Westerfeld
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angereicherte Pillen.
    Die Nanos fraßen die Läsionen, die die Pretties zu Blubberköpfen machten, und gaben damit ihren heftigen Gefühlen und ungezügelten Lüsten freie Bahn. Und anders als bei einer Droge, deren Wirkung irgendwann verfliegt, war diese Veränderung von Dauer. Die Nanos funktionierten wie mikroskopisch kleine hungrige Maschinen, die wuchsen und sich vermehrten, Tag für Tag. Wenn man Pech hatte, verschlangen sie auch den Rest des Gehirns. Eine Pille reichte, um komplett den Verstand zu verlieren.
    Tally hatte das schon erlebt.
    „Schnappt sie euch“, sagte Shay.
    Adrenalin schoss durch Tallys Adern, brachte eine Klarheit mit sich, die die Musik und die Bewegungen der Menge ausblendete. Sie hatte das Mädchen zuerst gesehen, also war es ihre Aufgabe, ihr Privileg, sie festzunehmen.
    Sie drehte den Ring an ihrem Mittelfinger und betastete den kleinen Stachel, der jetzt heraussprang. Ein Stich, und die Smokey würde zu Boden gehen und das Bewusstsein verlieren, wie nach zu viel Alkohol. Sie würde im Hauptquartier der Specials aufwachen und dann gleich unters Messer kommen.
    Bei diesem Gedanken bekam Tally eine Gänsehaut. Bald würde dieses Mädchen ein Blubberkopf sein: hübsch, makellos und glücklich. Und ohne den geringsten Durchblick.
    Aber immerhin wäre sie besser dran als der arme Zane.
    Tally schloss die Finger um den Stachel, um nicht aus Versehen irgendwelche beliebigen Uglies in der Menge zu erwischen. Noch ein paar Schritte, dann streckte sie die andere Hand aus und zog den Jungen weg. „Darf ich mal?“, fragte sie.
    Er machte große Augen, dann breitete sich ein Lächeln in seinem Gesicht aus. „Was? Ihr beide wollt miteinander tanzen?“
    „Schon gut“, sagte die Smokey. „Vielleicht will sie auch was.“ Sie band die Jacke von ihrer Taille los und zog sie über die Schultern. Ihre Hände schoben sich durch die Ärmel und in die Taschen, und Tally hörte das Rascheln einer Plastiktüte.
    „Nur zu, lass es krachen“, sagte der Junge, trat einen Schritt zurück und schaute sie feixend an. Sein Gesichtsausdruck trieb Tally erneut die Hitze in die Wangen. Dieser Knabe machte sich lustig über sie, ganz so, als sei Tally Durchschnittsware und jeder dürfe über sie denken, was er wolle - als sei sie nichts Besonderes. Die hässliche Plastikmaske über ihrem Gesicht brannte jetzt wie Feuer.
    Dieser blöde Trottel glaubte, Tally sei zu seiner Unterhaltung hier. Der brauchte dringend eine Lektion.
    Tally entschied sich für einen neuen Plan.
    Sie drückte auf einen Knopf an ihrem Auffangarmband. Das Signal breitete sich mit Schallgeschwindigkeit über dem intelligenten Kunststoff auf ihrem Gesicht und ihren Händen aus, die klugen Moleküle lösten sich voneinander, die Ugly-Maske explodierte zu einer kleinen Staubwolke und legte die grausame Schönheit darunter frei. Tally blinzelte kurz und heftig, so dass die Kontaktlinsen herausfielen, und zeigte der Winterkälte ihre kohlschwarzen Wolfsaugen. Sie spürte, wie sich die
    Kronen von ihren Zähnen lösten, spuckte sie dem Jungen vor die Füße und erwiderte sein Lächeln mit ungetarnten Fangzähnen.
    Diese ganze Verwandlung hatte nicht einmal eine Sekunde gedauert, gerade Zeit genug, um ihm das Feixen vergehen zu lassen.
    Sie lächelte. „Schwirr ab, Ugly. Und du“, sie drehte sich zu der Smokey um, „nimm die Hände aus den Taschen.“
    Das Mädchen schluckte und streckte die Arme nach beiden Seiten aus.
    Tally fühlte die vielen Augen, die plötzlich auf ihre grausamen Züge starrten, sie spürte das Staunen der Menge angesichts der pulsierenden Tätowierungen, die ihre Haut wie ein funkelndes schwarzes Spitzenmuster bedeckten. Sie sprach die vorgeschriebene Festnahmefloskel: „Ich will dir nicht wehtun, aber wenn es sein muss, dann tue ich es.“
    „Es muss nicht sein“, sagte das Mädchen gelassen und machte etwas mit ihren Händen, so dass beide Daumen nach oben zeigten.
    „Komm bloß nicht auf die Idee ...“, setzte Tally an, dann sah sie zu spät die aufgenähten Wülste an der Kleidung des Mädchens - Riemen wie bei einer Bungeejacke, die sich jetzt von ganz allein bewegten und sich um ihre Schultern und Hüften legten.
    „Smoke lebt“, zischte das Mädchen.
    Tally streckte die Hand aus ...
    ... und das Mädchen schoss in die Luft, wie ein straff gespanntes Gummiband, das losgelassen wird. Tallys Finger glitten durch leere Luft. Sie starrte mit offenem Mund nach oben. Das Mädchen stieg noch immer höher.
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