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Spaziergang im Regen

Spaziergang im Regen

Titel: Spaziergang im Regen
Autoren: Alison Barnard
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wollte unser erstes Treffen hinter uns bringen, und ich habe vor meiner Abreise noch so viel zu tun.« Sie trat beiseite. »Kommen Sie herein.«
    Shara war sicher, dass sie genauso dämlich dreinschaute, wie sie sich fühlte. Wieso nur hatte niemand ihr gesagt, dass Jessa Hanson hinreißend war? Aber auch wenn sie hinreißend war, wieso fühlte sich Shara, als wäre die Welt aus den Fugen geraten? Sie lebte in LA, wo der Anteil an ungewöhnlich umwerfenden Menschen lächerlich hoch war, aber dies war ihr noch nie passiert – und mit Sicherheit nicht während der Begegnung mit einer anderen Frau.
    Sie durchschritt den kleinen Flur und trat in den großen Wohnraum, wobei sie für einen Moment in eine dezente Duftwolke eintauchte, während sie an Jessa vorbeiging. Sie nahm zunächst ihre Umgebung gar nicht wahr, weil sie nicht über ihren ersten persönlichen Eindruck von Jessa hinwegkommen konnte.
    Jessa trug eine bronzefarbene Leinenhose und ein weißes Spitzentanktop, das sich an ihren Körper schmiegte. Sie hatte eine leichte Bräune und ihre Haut sah weich und gesund aus. Shara bemerkte die Muskeln an Jessas schlanken Armen und starken Schultern, und das Tanktop ließ ein gutes Stück ihres flachen Bauchs frei. Für einen Moment war Shara besorgt, dass die nur mit einer Kordel zusammengehaltene Hose von Jessas schmalen Hüften rutschen könnte. Sie war überrascht, dass diese Vorstellung einen seltsamen Effekt auf ihre Herzfrequenz hatte.
    Aber was Shara wirklich den Atem gestohlen hatte, war der erste Blick in Jessas Augen. Sie waren braun, aber selbst durch die getönten Gläser ihrer Brille konnte Shara sehen, dass es ein anderes Braun war, als sie es aufgrund der Fotos erwartet hatte. Sie waren wie geschmolzene Schokolade mit Zimt, und Shara fragte sich, wie sie wohl im Sonnenlicht aussehen würden. Jessas Wimpern waren lang und dicht, und Shara vermutete, dass sie nichts davon einem Kunstgriff verdankten. Sie verspürte den Drang, ihre Sonnenbrille abzunehmen und diese faszinierenden Augen näher zu betrachten, und dieser Impuls erschreckte sie. So unwahrscheinlich es auch war, aber diese Frau hatte Shara angeschaut, und Shara hatte den Faden verloren.
    Sie vermutete, dass Jessa irgendetwas Vernünftiges auf ihre Begrüßung erwiderte, aber sie konnte es nicht hören, weil in Jessa Hansons wunderschönen Augen eine tiefe Besorgnis lag, während sie die Frau ansah, die in den nächsten zwei Monaten in ihrem Leben herumspuken würde. Shara war tief getroffen, die Ursache für eine solche Besorgnis zu sein. Nach allem, was sie über sie gelesen hatte, wusste sie, dass Jessa recht zurückgezogen lebte, weshalb der Eingriff in ihre Privatsphäre, der mit der Einwilligung in Sharas Vorschlag verbunden war, enorm sein würde.
    Bevor sie die Wohnung betreten hatte, waren Shara mit einem Mal Bedenken gekommen, ob sie vielleicht dabei war, etwas Falsches zu tun; sie wollte sich entschuldigen und erklären, dass sie ihre Meinung geändert hatte und einen anderen Weg finden würde, für die Rolle zu recherchieren. Aber Jessa war beiseite getreten und hatte Shara bedeutet, ihr voran in die Wohnung zu gehen, und Sharas Beine hatten ihr blind gehorcht, bevor ihr Gehirn sich wieder zu Dienst melden und sie daran hindern konnte.
    Das erste, was Shara vom Wohnraum wahrnahm, war Licht und Weite. Er war viel größer, als sie vermutet hatte. Die Wand zu Sharas Linken war von raumhohen Fenstern dominiert, und nahe der Tür, durch die sie hereingekommen waren, stand ein Konzertflügel. Der glänzende Deckel des Flügels reflektierte das Licht und die Umrisse der Pflanzen, die strategisch zwischen den Fenstern platziert waren. Die Bewegungen ihrer Blätter trugen zu dem Eindruck bei, dass der Raum nach außen hin offen war. Allerdings war keinerlei Geräusch zu hören, weshalb die Bewegung der Blätter und die Kühle des Raumes wohl ein Hinweis darauf waren, dass die Wohnung eine zentrale Klimaanlage hatte, mit allerdings geschickt verborgenen Luftschächten.
    Am anderen Ende des Raumes, ihnen gegenüber, gab es eine Frühstückstheke und dahinter eine offene Küche. Wären da nicht die traditionellen tibetanischen Teppiche gewesen, die auf dem polierten Eichenboden verstreut lagen, hätte Shara sich gut vorstellen können, den Raum zum Rollschuhlaufen zu benutzen – er war so riesig.
    Einige Meter vor der Frühstückstheke und relativ nah der Fenster standen mehrere karamellfarbene Sofas und eierschalenfarbene Sessel mit
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