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Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)

Titel: Späte Reue: Josef Ackermann – eine Nahaufnahme (German Edition)
Autoren: Stefan Baron
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Freitag, dem 1 . Juni 2012 , in meiner Wohnung im Frankfurter Westend aufwachte, sah ich durch die Baumkronen vor dem Fenster die Doppeltürme der Deutschen Bank in der Morgensonne leuchten.
    Fünf Jahre, historische Jahre für die Finanzbranche, hatte ich für diese einzigartige Institution gearbeitet. An diesem Tag, dem ersten außer Diensten der Bank, schien es mir fast so, als hätte ich mein gesamtes Berufsleben dort verbracht. Die große Krise auf den Finanzmärkten ließ die Jahre offenbar, wie Hundejahre, ein Vielfaches zählen. Ich war gewissermaßen im Intensivkurs Deutschbanker geworden – und stolz darauf.
    Daran vermochten auch die vielen Rechtsstreitigkeiten und Vorwürfe über zweifelhafte Geschäftspraktiken nichts zu ändern, die das Ansehen der Bank zuletzt immer mehr bedroht hatten. Zum einen waren sie nicht repräsentativ für das Haus als Ganzes. Noch wichtiger aber: Die Bank und allen voran ihr Chef hatten sich mit als Erste zu ihren Fehlern in der Vergangenheit bekannt, Bereitschaft zur Wiedergutmachung gezeigt und entschlossen Maßnahmen ergriffen, die eine Wiederholung in der Zukunft verhindern sollen. Der dadurch eingeleitete Kulturwandel im Hause war unumkehrbar geworden.
    Obwohl auch meine frühere Tätigkeit als Chefredakteur harte Arbeit bedeutet hatte – im Vergleich zu dem Pensum, das ich bei der Deutschen Bank zu bewältigen hatte, war sie mir im Rückblick bisweilen fast wie ein Spaziergang vorgekommen. Dennoch hatte ich meinen Seitenwechsel keine Sekunde bereut. Er bescherte mir die spannendsten Jahre meines auch zuvor schon alles andere als langweiligen Berufslebens. Ich hatte die größte Finanzkrise seit fast einem Jahrhundert, die große europäische Staatsschuldenkrise und einen zentralen Akteur aus nächster Nähe erleben und dabei exklusive Einsichten in die Welt der Hochfinanz und Politik gewinnen können.
    Bei meinem Wechsel hatten manche mir prophezeit, nach Jahrzehnten im Journalismus mit der so ganz anderen, hierarchischen Welt von Großunternehmen nicht mehr zurechtzukommen. Jetzt, im Rückblick, durfte ich mit meiner Erfolgsbilanz gleichwohl zufrieden sein. Die Voraussetzungen und Umstände hätten allerdings kaum günstiger sein können.
    Die Position als Kommunikationschef der Deutschen Bank war die letzte meines Berufslebens. Ich musste keine Karriere mehr machen. Zusammen mit einem längerfristigen und gutdotierten Arbeitsvertrag erlaubte mir das, von Anfang an auf Augenhöhe mit der Unternehmensführung zu operieren und stets offen und ehrlich meine Meinung zu sagen, mochte diese auch noch so unangenehm sein.
    Hinzu kommt: Der Stellenwert von Kommunikation war bei Bankern durch die Finanzkrise sprunghaft gewachsen. Die Jahrhundertkrise hat mir so zwar einerseits viel Arbeit, diese zugleich aber auch wesentlich leichter gemacht.
    Vor allem aber: Josef Ackermann und ich haben von Anfang an außerordentlich eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet. Auch in dieser Hinsicht hatte ich es gut getroffen. Denn in der Kommunikation ist der Empfänger genauso wichtig wie der Sender. Nur was empfangen wird, zählt. Und der erste und wichtigste Empfänger für den Kommunikationschef ist der Unternehmenschef. Auch deshalb kann er auf Dauer immer nur höchstens so gut sein wie dieser.
    Manche Kritiker hielten mir vor, ich hätte über den Chef die Institution zu kurz kommen lassen. Der Vorwurf geht an den Tatsachen vorbei. Die proaktive Kommunikation, die Öffnung zu Massen- und politischer Kommunikation sowie zu den neuen sozialen Medien, der massive Ausbau der internen Kommunikation, die Neuausrichtung von Corporate Social Responsibility sowie die Emotionalisierung des Markenauftritts der Deutschen Bank sprechen eine andere Sprache.
    Vor allem aber: Ohne eine drastische Imageverbesserung von Josef Ackermann konnte sich auch das öffentliche Ansehen der Deutschen Bank unmöglich aufhellen. Auch einst als dröge verschriene Wirtschaftsmedien personalisieren längst ihre Artikel. Denn nichts interessiert Menschen so sehr wie Menschen.
    Empirische Untersuchungen belegen überdies, dass Chefs etwa die Hälfte der Reputation ihres Unternehmens ausmachen. Für mich war daher von Anfang an klar: Josef Ackermann musste von einer Belastung für das Ansehen seines Hauses zu einem Aushängeschild werden.
    Und das wurde er. Die Finanzkrise erwies sich dabei als Geschenk des Schicksals. Sie verlangte dem Schweizer alles ab und bot ihm damit zugleich die Chance, seine ganze Substanz zu
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